zum Hauptinhalt

On the Road: Amerika ist überall

Unentwegt unbewegt: „On the Road“ von Walter Salles – nach dem Beatnik-Kultbuch von Jack Kerouac.

Ein Buch, das in ein paar Wochen auf eine einzige, aus Hunderten von Blättern zusammengeklebte Rolle Papier niedergeschrieben wurde: Das ist „On the Road“. Zwar hatte Jack Kerouac jahrelang über seine Erlebnisse mit Neil Cassidy und gemeinsame Reisen durch die USA nachgedacht und immer wieder neue Versionen erstellt. Das Resultat, wie es 1957 erschien und zum Schlüsselroman für eine schon wieder verschwindende Szene wurde, lebt jedoch vom, wie Kerouac sagte, „Schwimmen im Meer der Sprache“, vom „wilden, undisziplinierten, reinen Komponieren“, von der Assoziation, die ihm über die Dramaturgie ging.

Jahrzehntelang wurden Verfilmungen in Köpfen gewälzt, Coppola, Godard, Gus van Sant beschäftigten sich mit dem Stoff. Nun hat sich Walter Salles, dessen „The Motorcycle Diaries“ (2004) über die Reise Che Guevaras durch Südamerika bereits ein Roadmovie mit einem Freundespaar war, mutig an Kerouac herangetraut. Salles hat Darsteller gefunden, die die Energie von Kerouac und seinen Freunden – Kerouac nannte sich selber Sal Paradise, Neil Cassidy hieß Dean Moriarty, Allen Ginsberg Carlo Marx und LuAnne Henderson war im Buch Marylou – in sich tragen. Er zeigt ein brodelndes Land voll Armut, Drogen und Musik und inszeniert so beiläufig wie eindringlich vor allem die wirtschaftliche Lage der Beat Generation. Wenn es denn überhaupt ein Generationending war – und nicht bloß ein paar junge Wilde aus verschiedenen Großstädten mit literarischer Experimentierfreude und Talent.

Doch obwohl die Protagonisten „On the Road“ sind, bewegen sie sich nicht: Keiner entwickelt sich, der stille Beobachter Sal Paradise (dargestellt von Sam Riley) schreibt am Ende sein Buch, aber das ist bekanntlich der Ausgangspunkt; Dean Moriarty (Garrett Hedlung) gleitet absehbar tiefer in die Drogenwelt; und die Mädchen – allen voran Kristen Stewart als Marylou – sind eh nicht so wichtig, außer für’s Bett. Immer wieder steht der Film still, vorgeblich um Ruhe in die wabernde Erzählung zu kriegen, aber dieses Stillstehen, das meist mit unsinnig oft gezeigten Umarmungen zur Begrüßung und Verabschiedung auf Türschwellen einhergeht, führt nirgendwo hin – die Heldenreise findet rein äußerlich statt. Allein der Besuch in der irren Südstaatenhölle von William Burroughs/Old Bull Lee (Viggo Mortensen) lässt die Relevanz der Geschichte aufblitzen: Der drogenabhängige Autor lebt dort mit Frau und Kind zwischen leeren Spritzen, Gewehren und Chaos. Wenn Marylou dem Kind die Haare wäscht, während seine Mutter sich betäubt, ist die Notlage anrührend greifbar. Die bei allen männlichen Beziehungen mitschwelenden homoerotischen Aspekte werden dagegen nur angedeutet.

So bleiben ein paar Szenen von grandiosen Slim-Gaillard-Konzerten, hübschen, tanzenden Menschen, und aufgebrochenen Benzedrin-Inhalatoren. Na ja. Sehr viel mehr aber ist bei den historischen Beatniks womöglich auch nicht hängen geblieben.

Cinemaxx, FaF, Kant, Kulturbrauerei, Passage, Yorck; OV im Cinestar SonyCenter, OmU im Filmkunst 66, Hackesche Höfe, International und Odeon

Zur Startseite