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Oper: Bayreuth: Pleiten, Pech und Pannen

Keine Brünnhilde für den Jubiläums-„Ring“ 2013. Erneut steht der Grüne Hügel unter einem fatalen Zugzwang.

Seit Monaten reißen die Hiobsbotschaften aus Bayreuth nicht ab. Jetzt aber geht es den Festspielen ernsthaft an den Kragen. Wie der Tagesspiegel aus verlässlicher Quelle erfuhr, hat die Sopranistin Angela Denoke am gestrigen Mittwoch ihren Vertrag als Brünnhilde im Jubiläums- „Ring“ 2013 gelöst. Die Besetzung war von Anfang an heftig kritisiert worden, Denoke verfüge weder über die stimmlichen Mittel noch über genügend Erfahrung im Wagner-Fach, um der Partie gerecht zu werden. Dass die 51-Jährige (die gerade in Wien als Kundry in Wagners „Parsifal“ auf der Bühne steht) nun selbst die Notbremse zieht, ehrt sie. Die Festspiele aber stellt es vor bedrohliche, ja möglicherweise existenzielle Probleme.

2013 ist Wagner-Jahr, die ganze Welt feiert den 200. Geburtstag des Großmeisters. Sternstunden wie Patrice Chéreaus/Pierre Boulez’ Jahrhundert-„Ring“ von 1976 sind auch hier nicht planbar, doch das Mindeste, was man von Festspielen dieses Ranges erwarten kann, ist Professionalität im Umgang mit den künstlerischen Möglichkeiten und Ressourcen. Just daran aber scheint es zu hapern. Für die Sängerbesetzungen auf dem Grünen Hügel zeichnet Eva Wagner-Pasquier verantwortlich, und abgesehen davon, dass kaum jemand mit der Neuproduktion des „Tannhäuser“ 2011 glücklich gewesen sein dürfte, kam hier gerade sängerisch wenig Freude auf: Die Venus wurde umbesetzt, und Lars Cleveman schleppt man wohl nur deshalb noch einen weiteren Sommer durch die Titelpartie, weil sie ohnehin kaum zu besetzen ist.

Auch Brünnhilden sind Mangelware auf dem Sängermarkt. Hat sich die Festspielleitung zu spät um einschlägige Lösungen bemüht? War sie zu sehr mit der Suche nach einem „Ring“-Regisseur beschäftigt (Frank Castorf) oder zu stark auf den „Ring“-Dirigenten Kirill Petrenko fixiert, der erst vor drei Wochen seinen Vertrag unterschrieben hat? Erneut steht der Grüne Hügel unter einem fatalen Zugzwang. Dass aus Angela Denoke nie eine Hochdramatische wird, hätte Eva Wagner-Pasquier wissen müssen. Was jetzt noch bleibt, sind Altvordere wie Linda Watson (die Brünnhilde aus dem Thielemann-„Ring“) oder Debütantinnen wie Jennifer Wilson. Beides ist für Bayreuth 2013 im Grunde nicht vertretbar.

Und die Politik? Könnte langsam auf die Idee kommen, dass die Festspiele ein Kompetenzproblem haben. Die formalen Querelen der letzten Monate (Ärger mit den Rechnungshöfen und Gewerkschaften, Rangeleien um die Ticketvergabe) mögen den Ruf schädigen – unlösbar sind sie nicht. Verlieren die öffentlichen Geldgeber aber das Vertrauen in die künstlerischen Entscheidungen, müssen sie handeln. Besser heute als morgen. Katharina Wagners und Eva Wagner-Pasquiers Verträge laufen bis Sommer 2015. Werden sie nicht verlängert (oder auch nur einer der beiden nicht), geht die Bayreuth-Diskussion in die nächste Runde. So richtig freuen möchte man sich darauf nicht. Christine Lemke-Matwey

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