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Francesco Demuro und Chen Reiss

© REUTERS

Oper: Luc Bondys "Rigoletto" bei den Wiener Festwochen

Es ist seine letzte Inszenierung als Intendant der Wiener Festwochen. Seine beste ist es sicher nicht.

Wenn alles schwarz ist, wird jeder Farbtupfer zur Welt. Aber nicht deshalb zieht George Gagnidze vom ersten Moment an alle Blicke auf sich. Was für ein Rigoletto: Verschmierte Haare, rotunterlaufene Augen, ein Gesicht wie ein Kontinent. Und dann dieser Frack! Tieflila mit Schwalbenschwänzen, so lang, wie sie kein Dirigent tragen würde, ein Wunder, dass er nicht ständig stolpert. Ein tragischer Pinguin. So beeindruckend das wirkt, so konventionell ist es aber auch, denn Rigoletto, der Narr, muss natürlich als Außenseiter, markiert werden. Auch bei Luc Bondy.

In einer seiner letzten Inszenierungen als Intendant der Wiener Festwochen kredenzt der Schweizer Regisseur nur musikdramatisches Schwarzbrot. Im Theater an der Wien stellt er „Rigoletto“ zwischen schwarze Stellwände (Bühne: Erich Wonder), die sich drehen und neue Räume freigeben. Das funktioniert wie bei Andreas Homokis „Meistersingern“ an der Komischen Oper, nur nicht so elegant. Der Abend, eine Fingerübung, schwach wie der Regisseur selbst, der beim Schlussapplaus gestützt werden muss.

Bondys Qualitäten als Meister der Personenführung blitzen immerhin in Details auf. Bei den Höflingen, die schon längst vor dem Fenster lauern, als Gilda und der Herzog noch ihre Liebe besingen. Oder im Blut, dass sich Rigoletto nach einem Händedruck mit Sparafucile ins Gesicht schmiert. Er ist ja mitschuldig am Tod seiner Tochter. Dennoch: So klapprig wie das Gebilde, das im dritten Akt Sparafuciles Haus darstellen soll, wirkt die ganze Inszenierung, die doch den Musiktheater-Höhepunkt der Festspiele bildet – und viel darüber aussagt, in welchem Zustand sich diese befinden.

So prägen vor allem die solistischen Leistungen den Abend. George Gagnidze triumphierte 2009 als Rigoletto an der Met und zeigt auch in Wien seine Qualitäten: ein Bariton, der sich in dunkel leuchtende Tiefen schrauben kann, der auch das Piano dynamisch durchgestaltet, dessen Rufe „Pietà, Signori!“ eine gewaltige sängerische Urkraft verraten. Und der auch schauspielerisch eine sichere Bank ist, den an Krücken gehenden Monterone böse nachäfft und dann, als er seine Tochter trifft, ein Anderer wird, den Frack auszieht, sich vom Narren zum Vater wandelt, zum Mensch. Als Gilda sieht Chen Reiss in Bluse und strengem Rock aus wie ein Frauentraum aus dem Mittleren Westen. Ein konventionelles Gilda-Bild, leider völlig ernst gemeint. Sängerisch ist Reiss aufregender. Schlank ihr Sopran, die markanten Spitzentöne aus dem ersten Duett mit Rigoletto wiederholt sie in ihrer großen Arie „Caro nome“, in der sie ihre Liebe zum Herzog von Mantua besingt, der ihr gerade einen falschen Namen genannt hat.

Franceso Demuro braucht bis zum zweiten Herzog-Auftritt, um Glanz und Farbe in seinem Tenor zu entwickeln. Den Latin Lover gibt er arg klischeehaft, wirkt aber aufrichtig, als ihm klar wird, dass Gilda ihm tatsächlich etwas bedeutet. Die dunkle Erscheinung von Gábor Bretz als Sparafucile mit Tattoo und Vokuhila steht in reizvollem Gegensatz zu seinem lichten Bass. Wunderbar Ieva Prudnikovaite als abgebrühte Maddalena, deren Mezzo rubinrot schimmert. Der Arnold Schoenberg Chor trägt durchweg schwarze Bürgerzylinder, was den Höflingen eine bedrohliche Uniformität verleiht. Aber oft klappert es zwischen Chor und Graben, die Entführungsszene wird komplett in den Sand gesetzt.

In solchen Momenten wünschte man sich, der junge israelische Dirigent Omer Meir Wellber, bis vor kurzem Assistent von Daniel Barenboim und inzwischen Chefdirigent in Valencia, hätte besser geprobt. Aufs Ganze gesehen gelingt Wellber mit dem Radio-Symphonieorchester Wien jedoch eine durchpulste, lebendige, klug phrasierte Interpretation, eher apollinisch als dionysisch. Weniger subtil der Kampf zwischen Bravo- und Buhrufen, als Bondy mit seinem Team auf die Bühne kommt. Bis 2013, wenn sich nicht nur Wagners, sondern auch Verdis Geburtstag zum 200. Mal jährt, will Bondy die ganze trilogia popolare inszenieren. Danach übernehmen Markus Hinterhäuser und, aus Berlin, Shermin Langhoff die Intendanz der Festwochen. Nicht wenige in Wien sind froh darüber.

Wieder am 1., 3. und 5. Juni

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