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Oper: O amore!

Opern-CD: Georghiu und Alagna singen Mascagni.

Als Pietro Mascagni am 17. Mai 1890 nach der Uraufführung seiner ersten Oper „Cavalleria rusticana“ in Rom 40 Mal vor den Vorhang gerufen wurde, hätte er sich wohl nicht träumen lassen, dass es der einzige große Erfolg seines Lebens bleiben sollte. 15 weitere Opern schrieb er noch, und doch ist er als One-Hit-Wonder in die Musikgeschichte eingegangen – zu Unrecht, wie man jetzt anhand einer neuen, an der Deutschen Oper Berlin entstandenen Aufnahme seiner zweiten Oper „L’amico Fritz“ (Deutsche Grammophon) hören kann.

Zwar ist das Libretto des Werks banal: Ein Gutsbesitzer im Elsass wettet mit dem örtlichen Rabbiner, dass er sich nie verheiraten wird, und entbrennt am Ende doch in Liebe zu der Tochter seines Pächters. Aber diese Geschichte ist so reizend und leichthändig in Musik gesetzt, als sei es Mascagni vor allem darum gegangen, den Duft auf den Feldern und das Lachen eines süditalienischen Morgens zu vertonen. Immer wieder rettet die Musik, etwa mit plötzlich hereinbrechenden Streichersechzehnteln, Text und Handlung vor der Erstarrung. Gegenüber der süffisanten Fülle des Erstlingswerks wirkt diese Partitur trotzdem schlank. Mascagni konnte nicht zuletzt deshalb nie wieder an seinen frühen Erfolg anknüpfen, weil er sich weigerte, sich musikalisch zu wiederholen.

Unwiederholbar war auch die einmalige konzertante Aufführung von „L’amico Fritz“ am 20. September 2008, für die die Deutsche Oper die miteinander verheirateten Sängerstars Roberto Alagna als Fritz und Angela Gheorghiu als Pächterstochter Suzel verpflichtet hat. Vieles an der Aufnahme dieses Abends ist beglückend – nicht nur, dass man das unter Alberto Veronesi bestens aufgelegte, mit sattem und doch flexiblem Sound, starken Soli und einer ansteckenden Freude an den südländischen Klängen spielende Orchester der Deutschen Oper einmal wieder auf CD hören kann.

Angela Gheorghiu ist eine Suzel zum Niederknien. Schon in der Auftrittsarie, in der sie Fritz verschämt einen Strauß Veilchen bringt, zieht der dunkel-tönende, vibrierende Kern ihres Soprans alle Aufmerksamkeit auf sich. Souverän, geschmeidig und bruchlos bewegt sie sich durch die Register und erreicht die Spitzentöne scheinbar wie von selbst. Auch Roberto Alagna singt füllig, blumig, impulsiv, mit juvenilem Kern, hinterlässt aber insgesamt – auch im „Kirschenduett“, der einzigen Nummer des Werks, die außerhalb der Opernbühne häufiger zu hören ist – einen schwächeren Eindruck. Sein Tenor besitzt eine leichte Neigung zur Weinerlichkeit, mehr als einmal lässt er sich vom Orchester hinwegschwemmen, und der enorm wichtige, da prominent platzierte Spitzenton auf „amor“ in der Arie „O amore, o bella luce del core“, in der sich Fritz endlich seiner Liebe bewusst wird, gerät ihm einen entscheidenden Hauch zu niedrig. Die einzige weitere Figur, der Mascagni individuelle Züge gegeben hat, ist der von George Petean klar, fest und plastisch gesungene Rabbiner David, der nach Art von Jago in Verdis „Otello“ geschickt kleine Prisen von Eifersucht streut, aber anders als dieser nicht, um eine Liebe zu zerstören, sondern um sie überhaupt erst zu wecken. Vielleicht trägt diese Aufnahme auch dazu bei, die Liebe zu Mascagnis Musik zu wecken – jenseits der „Cavalleria“. Udo Badelt

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