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Oper: Rheingold für den Maya-Tempel

Ganz ohne Bundeshilfe: Für 295 Millionen Euro renoviert Köln seine Oper – und baut ein neues Schauspielhaus.

Heute Abend wird Dagmar Manzel zum ersten Mal in Köln gezähmt: Die Komische Oper hat ihre „Kiss me, Kate“-Inszenierung an den Rhein ausgeliehen, mitsamt der grandiosen Hauptdarstellerin, die das Shakespeare-Musical zum Berliner Überraschungserfolg der vergangenen Saison machte. Eingefädelt wurde der Deal von einem bekennenden Manzel-Fan, Uwe Eric Laufenberg, dem ehemaligen Intendanten des Hans Otto Theaters Potsdam, der seit Herbst die Geschicke der Kölner Oper lenkt. Hier soll er künftig machen, was er am besten kann: für gute Stimmung sorgen.

Barrie Koskys schrille Version von „Kiss me, Kate“ gehört zu dem Powerprogramm, mit dem Laufenberg die Kölner so heiß auf Musiktheater machen will, dass sie ihm durch die drei mageren Jahre folgen werden, die Künstlern wie Publikum ab Herbst 2010 bevorstehen. Denn wie bei der Berliner Staatsoper geht auch in der Domstadt an einer Generalsanierung des Opernhauses kein Weg vorbei. Beide Bühnen befinden sich in einem derart desolaten Zustand, dass die Baupolizei zuletzt den Betrieb nur noch mit zwei zugedrückten Augen genehmigen konnte.

Beide Bühnen sind übrigens auch fast gleich alt: Während jedoch Richard Paulick 1955 Unter den Linden auf den Ruinen des Traditionshauses eine historisierende Rekonstruktion im Geist des friderizianischen Rokoko realisierte, entschied man sich im verwüsteten Köln für einen Neubau.

Was Wilhelm Riphahn 1957 der Öffentlichkeit präsentierte, war konsequent zeitgenössisch gedacht, ein Bau, der Architekturgeschichte geschrieben hat. Mitten ins Trümmerfeld der Innenstadt stellte er einen modernen Maya-Tempel. Den Bühnenturm ummantelte er beidseitig mit treppenförmig sich nach oben verjüngenden Etagen, in denen Proben- und Verwaltungsräume untergebracht sind. Im Zuschauerraum gibt es keine klassische Aufteilung in mehrere Ränge, sondern nur ein Parkett und darüber 22 schubladenartig vorspringende Logen.

Zur Eröffnungsfeier erklärte Riphahn, sein Ziel sei es gewesen, „einen kraftvollen Bau in menschlichen Maßen, ohne falsche Repräsentation und im Geiste unserer Zeit“ zu errichten. Dass sich die Stadtväter vor drei Jahren durchringen konnten, dem in fünf Jahrzehnten arg verwohnten Gebäude seinen alten Glanz zurückzugeben, ließ Architekturfans in der ganzen Republik aufatmen. Parallel zur Berliner Staatsoper werden also auch die Kölner Künstler im Sommer ihr Stammhaus räumen und in ein Interimsquartier umziehen. Eine so noble Ausweichspielstätte wie das Schiller Theater steht ihnen allerdings nicht zur Verfügung. Sie werden bis 2013 im Industriegebiet von Köln-Mülheim spielen, im so genannten Palladium – genau gegenüber von jenem Studio 449, in dem die „Harald Schmidt Show“ produziert wird.

Nach seinem sensationellen Erfolg mit dem Opernhaus erhielt Wilhelm Riphahn damals den Auftrag, direkt nebenan ein Schauspielhaus zu errichten. Ein vergleichbar eindrucksvoller Entwurf gelang ihm 1962 allerdings nicht. Darum entschied man sich jetzt hier für einen Abriss. Den kombinierten Wettbewerb für die Opernsanierung sowie den Sprechtheaterneubau gewann ein deutsch-französische Duo, Chaix & Morel aus Paris und JSWD Architekten aus Köln.

Federführend für das lokale Büro ist Frederik Jaspert, ein passionierter Operngänger, der auch schon Bühnenbilder gestaltet hat und darum die Arbeitsabläufe hinter den Kulissen kennt. Mit einem hoch aufragenden Würfelblock wollen die Planer vor allem die interne Logistik des Sprechtheaters optimieren, einen der Schwachpunkte bei Riphahn. Während sich das alte Gebäude optisch deutlich dem Opernhaus unterordnete, sieht das neue Quartier zwei gleichberechtigte Partner vor, zwischen denen ein „Operngarten“ mit Restaurants und Cafés zum Szenetreffpunkt werden soll.

Dass der Schauspielkubus, in dem Foyer, Bühne und Backstagebereiche übereinandergeschichtet sind, Riphahns Meisterwerk um einen Meter überragen wird, erregte allerdings die Gemüter schon bei der Präsentation des Wettbewerbsgewinners. Und als dann auch noch Schauspielintendantin Karin Beier in letzter Sekunde für eine Renovierung des bestehenden Hauses plädierte – weil sie befürchtet, der teurere Neubau könnte eine Kürzung ihrer künstlerischen Mittel zur Folge haben – formierte sich eine Widerstandsfront quer durch die Kölner Künstlerszene.

Selbst der Hinweis, dass die Gelder für die Investition respektive für den laufenden Betrieb aus verschiedenen Etats kommen und darum nicht gegeneinander aufgerechnet werden können, überzeugte die aufgebrachten Kulturschaffenden nicht. Dennoch gaben die Politiker in einer dramatischen Nachtsitzung Mitte Dezember das Neubauprojekt mit 35 zu 31 Stimmen frei (vgl. Tagesspiegel vom 22. Dezember).

Zugleich erteilten sie allerdings auch dem Traum der Theaterleute eine Absage, künftig alle Abteilungen am Offenbachplatz vereinen zu können – was bedeutet hätte, 360 Millionen Euro aus der klammen Kasse zu zaubern. 295 Millionen immerhin wurden bewilligt. Das reicht zwar weder für die unterirdischen Werkstätten noch für einen Probensaal des Gürzenich-Orchesters am Ort, doch Köln, dessen Stadtkämmerer jüngst mit der Forderung für Schlagzeilen sorgte, den Kulturetat um 30 Prozent abzusenken, stemmt damit aus eigener Kraft, was Berlin nur dank Bundeshilfe schafft. In der Hauptstadt wird – die Renovierung des Schiller Theaters, den Umzug des Staatsballetts sowie die Herrichtung der neuen Zentralwerkstätten mitgerechnet – ziemlich genau Summe investiert wie am Rhein, nur dass Unter den Linden Angela Merkel 200 Millionen zuschießt.

Die Aufwertung des Kölner Opernquartiers überwacht übrigens ein alter Bekannter aus Berlin: Georg Quander, langjähriger Staatsopern-Intendant, der 2005 als Kulturdezernent an den Rhein gewechselt ist.

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