zum Hauptinhalt
Zauberflöte

© dpa

Oper: Sarastros Tempel liegt unterm Bundestag

Christoph Hagel verlegt Mozarts "Zauberflöte“ in den Berliner Untergrund einer noch nicht eröffneten U-Bahn-Station. Das gelingt – weil die Musik vorzüglich klingt.

Mozarts Musik trägt über alles hinweg. Natürlich auch über die edelkarge Betonhalle des noch uneröffneten U-Bahnhofs Bundestag, in den der umtriebige Christoph Hagel seine Inszenierung der „Zauberflöte“ versetzt. Zur Begründung für diesen Spielort bemüht Hagel den „sozialen Raum aus zufälligen Begegnungen“. Na schön. So ist denn seine Aktualisierung ein Verschnitt des nur mehr schwer verständlichen Freimaurer-Spektakels von 1791 mit einer Art „Linie 1“: Hartz- IV-Punk mit rotzigem Jargon gibt den Papageno, und singen kann er gleich gar nicht, sondern grölt heiser, versoffen und schief. Grips-Theater-Patina.

Das Glück dieser Inszenierung besteht nun darin, dass die anfangs aufdringliche Aktualisierung sich zunehmend verflüchtigt – und Liebessuche und Tugendprüfung ganz nach dem alten, unverwüstlichen und auf immer bezaubernden Stück ablaufen. Wie auch anders: Denn da ist Mozarts Musik, im U-Bahnhof ganz hervorragend gespielt von 30 Mitgliedern der Berliner Symphoniker und erstaunlich gut zu vernehmen.

Hagel hat kürzen müssen – wobei die Premiere am Sonnabend bald drei Stunden ausfüllte –, sagen wir lieber: raffen; vor allem, um den für eine Jetztzeit-Adaption allzu fantastischen zweiten Aufzug zu bewältigen. Aber die Sänger sind präsent, haben Schwung, lassen alles Konstruierte und Inkongruente – Feuer- und Wasserprobe auf dem Bahnsteig! – vergessen. Michael Müllers Tamino trägt die Inszenierung, stimmlich und spielerisch; kleine Ungenauigkeiten in den Höhen, na ja. Monica Garcia Albea ist für die scheue, erwachende Pamina die richtige Wahl; und Darlene Ann Dobisch sprüht nur so vor Sangeslust als Königin der Nacht, auch wenn sich der ein oder andere Kiekser in ihre Koloraturarien einschleicht.

Für „Der Hölle Rache“ etwa gibt’s zu Recht jubelnden Szenenapplaus. Marcel Sindermann, der als Monostatos in Polizeiuniform herrlich komödiantische Einlagen hat, wächst in seine Rolle hörbar hinein. Nur Sascha Borris gehen Stimmkraft und Charisma des gebieterischen Sarastro ab. Seine „Strahlen der Sonne“ können das Dunkel des U-Bahnhofs nicht vertreiben. Spaß machen die Balletteinlagen des „Bewegungschores“ (Choreografie: Sabina Ferenc). Eine Freude sind auch die Knaben, die auf Skateboards hereinsausen und dann doch glockenhelle Stimmen haben. Der Karl-Forster-Chor bewältigt die Synchronisation mit dem Orchester trotz Aufstellung auf der Tribüne oder im Gleisbett hervorragend. Überhaupt, wenn der Gleichklang in Gefahr gerät, variiert der schwer arbeitende Hagel das Tempo. Eine bleibende Einspielung soll’s ja ohnehin nicht werden.

Bleibt Jan Plewka als Papageno. Als Rock-Sänger beherrscht er den schrägen Sound, den ihm Hagel ersonnen hat. Er singt gekonnt schief. Und passt sich nach schwierigem Beginn, etwa im Duett mit Pamina, immer müheloser in die für ihn schwierigen mehrstimmigen Arien ein. Am Schluss begeisterter Beifall der 680 Zuschauer. Ob sie der Aktualisierung des „deutschen Singspiels“ bedurften? Gewiss nicht. Die „Zauberflöte“ kann man in jedem Kostüm spielen. Wenn die Musik gelingt, gelingt alles.Bernhard Schulz

Weiter Aufführungen bis 25. Mai. Karten: 01805-4470, Infos: www.zf-u.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false