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Kultur: Opernkonferenz: Am Montag werden die Vorschläge zur Berliner Strukturreform präsentiert

Andreas Homoki machte seine "ersten prägenden Erfahrungen" im Musiktheater an der Komischen Oper. Das war in den frühen 80er Jahren, als er in Westberlin Schulmusik und Germanistik studierte.

Andreas Homoki machte seine "ersten prägenden Erfahrungen" im Musiktheater an der Komischen Oper. Das war in den frühen 80er Jahren, als er in Westberlin Schulmusik und Germanistik studierte. Für sechs Jahre ging Homoki als Regieassistent zu Michael Hampe an die Kölner Oper und lernte das Handwerk von der Pike auf, bevor er sich als Regisseur einen Namen machte. Genf, Basel, Amsterdam, München, Leipzig und Paris sind die Stationen seiner Karriere. Dem Berliner Publikum hat Homoki sich bislang mit vier Arbeiten vorgestellt: An der Deutschen Oper inszenierte er "Hänsel und Gretel", an der Komischen Oper, deren Chefregisseur er ab 2002 ist, "Falstaff", "Die Liebe zu drei Orangen" sowie "Die lustige Witwe".

Herr Homoki, der Gegenentwurf der Deutschen Opernkonferenz zu Christoph Stölzls Reformpapier besagt, dass es in Berlin weiterhin drei unabhängige Opernhäuser geben soll. Gleichzeitig muss gespart werden. Wie solidarisch kann und will sich die Komische Oper gegenüber den beiden anderen, fusionsbedrohten Instituten verhalten? Sitzen alle im selben Boot - und schubsen sich gegenseitig über Bord?

Das hängt davon ab, wie voll das Boot noch wird.

Oder gilt: Solange wie du überlebe ich ohnehin ... ?

Ich denke, man muss da zwei Seiten beachten. Einerseits ist ein Opernetat von 226 Millionen Mark für eine bankrotte Kommune wie das Land Berlin sehr viel Geld. Andererseits boomt diese Stadt an allen Ecken und Enden. Sie hat eine Zukunft - und ist dieser Zukunft verpflichtet. Momentan mag sie sich das Kulturpaket, das Geschichte und Politik ihr aufgebürdet haben, nicht leisten können. Noch weniger aber kann die deutsche Hauptstadt es sich leisten, Kultur abzubauen. In zehn Jahren würde man eine solche Kurzsichtigkeit schwer bereuen.

Ein Plädoyer also für das kulturelle Engagement des Bundes in Berlin?

Ja. Ich halte es für die einzige wirklich gute Lösung, dass der Bund die Staatsoper übernimmt. Dann hätte Berlin zwei städtische Opern und ein Haus mit nationalem Auftrag. So ähnlich funktioniert das in Paris doch auch. Der Stadtsäckel wäre entlastet, die Konkurrenz untereinander entspannt.

Aber wie unterscheiden sich in diesem Fall Deutsche Oper und Staatsoper künstlerisch voneinander? Garantieren getrennte Schatullen allein schon getrennte Profile?

Ja und nein. Es war ein schwerwiegender Fehler, dass sich 1990 niemand über die zukünftige inhaltliche Positionierung der drei Häuser Gedanken gemacht hat. Natürlich: Dass die ehedem Charlottenburger Städtische Oper an der Bismarckstraße so bedeutend wurde, ist der politischen Teilung der Stadt zuzuschreiben. Natürlich: Die Staatsoper Unter den Linden wurde nach der Wende total umgekrempelt. Das neue politische Establishment der Stadt hat sich dieses repräsentative Haus ziemlich schnell zum Schauplatz erkoren. Das Publikum an der Deutschen wie auch an der Komischen Oper ist hingegen so ziemlich das selbe geblieben. Das bedeutet: Die Komische Oper besitzt als einziges der drei Häuser noch eine echte Ost-Identität. Die halte ich für ganz wesentlich.

Es gilt also weiter: zwei Große gegen einen Kleinen?

In unmittelbarer Konkurrenz zueinander stehen zunächst die beiden Großen, das ist klar. Was mich an der laufenden Diskussion ärgert, ist die Tatsache, dass die Komische Oper die Sparvorgaben des Senats in den letzten Jahren akkurat erfüllt hat - und jetzt für die Schulden, die nachweislich die anderen beiden Häuser verursacht haben, mit verantwortlich sein soll. Das verbitte ich mir. Unser System funktioniert, unter Druck zwar, aber es funktioniert. Bis vor anderthalb Jahren war unsere Bilanz ausgeglichen. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Dann kam die Tarifsteigerung - die wir, wie alle anderen auch, nicht aus eigener Kraft stemmen konnten. Das bedeutet unterm Strich: Die Komische Oper spielt mit Abstand die meisten Vorstellungen, sie nimmt die niedrigsten Eintrittspreise, sie hat im Prinzip keine Schulden, und sie kann ab 2002 ein klares Konzept vorlegen. Was will man mehr?

Noch mehr Sparen zum Beispiel.

Jede Mark weniger Geld geht an die Substanz des Hauses. Der Chor ist bereits von 74 auf 60 Stellen heruntergefahren, das ist die absolute Schmerzgrenze; das Orchester, will und soll es mit fünffachem Holz und sieben Hörnern weiter ein A-Orchester bleiben, steht am Anschlag. Mit noch weniger Musikern und Sängern ist ein Spielplan von Mozart bis Britten, wie wir ihn vorgelegt haben, nicht zu leisten. Das wäre unökonomisch und ausgesprochen kontraproduktiv.

Nehmen wir den schlimmstmöglichen Fall an: Sie treten im Herbst 2002 Ihr Amt als Chefregisseur der Komischen Oper an und das Land Berlin sieht sich bis dahin und bis auf weiteres außerstande, die Tariferhöhung zu übernehmen. Was passiert?

Ich finde es unerträglich, wenn gesagt wird, die Häuser müssen sich diese Beträge selbst "erwirtschaften". Theater sind keine profitablen Betriebe, wie die freie Wirtschaft sie kennt. Die Produktivität eines Theaters lässt sich nicht ad infinitum steigern. In einem Theater arbeiten Menschen. Die lassen sich nicht wegrationalisieren wie in einer Autofabrik, wo am Ende nur noch drei Leute auf drei rote Knöpfe drücken. Ein Theater ohne Menschen funktioniert nicht. Das ist sein eigentlicher, sein innerer Wert. Und dieser Wert war lange Zeit auch gesellschaftlicher Konsens. Wenn die öffentliche Hand daran weiter festhalten will, muss sie uns die Tariferhöhung abnehmen.

Ich fürchte, wir drehen uns hier im Kreis. Denn die öffentliche Hand, von der wir wissen, dass sie pleite ist, will - wie es in der reichen Schweiz so schön heißt - den Fünfer und das Weckli. Sie will eine Hochkultur, die sich möglichst selber rechnet. Wer durchschlägt wann, wie und wo diesen gordischen Knoten?

Das Geld, das in diesem Land sehr wohl vorhanden ist, wird meiner Ansicht nach falsch verteilt. Oder anders verteilt als früher. Die Strukturen befinden sich in der Krise. Ich versuche es mal mit einem Beispiel: Köln ist bis über beide Ohren verschuldet, Leverkusen hingegen ist steinreich. Trotzdem fahren die Leverkusener gern nach Köln in die Oper, denn sie haben selber keine. Sie sind die Nutznießer. Müssten Sie als solche nicht auch ein Stück ökonomische Last und Verantwortung mittragen?

Fordern Sie damit mehr Engagement seitens der so genannten Zivilgesellschaft?

Herrn Dussmanns Sponsoring in Ehren, aber ich wäre da doch vorsichtig. Nein, es ist eher ein Appell, über unsere demokratischen Strukturen neu nachzudenken, über Stiftungs- und Steuerrecht zum Beispiel. Mit einer Handvoll absolutistischer Herrscher, die ihre Schatzkisten für die Kunst nur öffnen, solange sie machen können, was sie wollen, ist niemandem geholfen. Oper ist doch kein Privatvergnügen.

Künstlerische Solidarität hin, ordentlich erledigte Hausaufgaben her: Daniel Barenboim hat sich für ein klares Ranking der Berliner Opernhäuser ausgesprochen, was naturgemäß bedeutet, dass er die Staatsoper gerne an erster Stelle sähe. Halten Sie diese Forderung für legitim, auch und gerade auf dem Hintergrund von Michael Naumanns reichlich unerwarteter 3,5 Millionen Mark-Spende für die Staatskapelle?

Sobald der Bund sich hier dauerhaft engagiert: ja. Solange solche Forderungen zu Lasten anderer gehen: nein. Ich glaube an den Wettbewerb der Häuser. Christoph Stölzl hat mehrfach darauf hingewiesen, dass er die Komische Oper in diesem Zusammenhang für unterfinanziert hält. Außerdem wird das Problem Staatsoper in der Diskussion meiner Ansicht nach ungebührlich verkürzt: Man redet immer nur über Daniel Barenboim und die Besoldung "seiner" Staatskapelle - und nie über das inhaltliche Erbe der vergangenen zehn Jahre, das Barenboim ja durchaus auch mit zu verantworten hat. So etwas ärgert mich.

Und das inhaltliche Erbe der Komischen Oper? Harry Kupfer geht, Albert Kost, der Intendant bleibt, Sie kommen ... .

Kost ist meine Basis, er führt die Geschäfte und er trägt alle Innovationen mit. Ich will ja nicht Intendant sein. Die Komische Oper ist sicher das Berliner Musiktheater mit der stärksten Identität, auch: das Haus mit der größten inneren Integrität. Im technischen wie im künstlerischen Personal macht da keiner Dienst nach Vorschrift. Die Leute arbeiten gerne hier, die gehen mit dem Ethos dieses Hauses sehr bewusst um. Es mag altmodisch klingen, aber genau das ist die Qualität. Und dieses Klima wiederum macht das Haus auch für Gäste attraktiv, die als Regisseure, Bühnenbildner oder Dirigenten anderswo nur eingekauft werden. Man braucht als Künstler doch ein Zuhause.

Wollen Sie den Nimbus der Komischen Oper eher bewahren oder eher erneuern?

Mir ist die Vielfalt wichtig. Felsenstein war - noch mehr als Harry Kupfer - ein großer Monomane seines Fachs. Das bin ich sicher nicht. Ich plane sechs Premieren pro Saison, davon inszeniere ich ein Stück selbst, maximal zwei. Der Rest verteilt sich auf namhafte, wichtige Regisseure und auf jüngere, auf Begabungen, die ich meine entdeckt zu haben. Ich habe den Ehrgeiz, die Komische Oper, was die Regie betrifft, in die Championsleague der europäischen Musiktheater zu führen.

Seit drei Wochen dürfen Sie offiziell Verträge machen. Nennen Sie uns ein paar Namen?

Feste und langfristige Verabredungen bestehen mit Richard Jones, Willy Decker und Peter Konwitschny. Alle drei sind in ihrer Ästhetik sehr unterschiedlich. Mir war es um die Haltung zu tun, um die Ernsthaftigkeit des Zugangs in der Arbeit - und um ein sauberes Handwerk. Die Komische Oper soll ein Ort der Begegnung werden.

Nichts anderes sagt Klaus Zehelein von der Stuttgarter Staatsoper auch. Liegt in diesem "neuen Ernst", der ja so neu gar nicht ist, die Zukunft des Musiktheaters?

Dieses Spannungsfeld existiert seit 400 Jahren: Oper zwischen repräsentativem Startheater und dramatischem Denken. Die Autoren freilich wollten immer das, was wir an der Komischen Oper auch wollen. Gucken Sie bei Mozart nach, bei Verdi oder Wagner. Andererseits habe ich nichts dagegen, wenn Frau Gruberova 30 000 Mark pro Abend kriegt und der Laden voll ist. Das ist ein ehrliches Geschäft. Mein persönlicher Ehrgeiz aber richtet sich darauf, die Stars von morgen zu finden. Deshalb habe ich Per Boje Hansen als Casting Director an die Behrenstraße geholt - der reist herum, hört junge Stimmen und übernimmt genau die Aufgaben, die Pamela Rosenberg in Stuttgart bislang so bravourös gelöst hat.

Wie sieht die Berliner Opernlandschaft in zehn Jahren aus?

An der Komischen Oper bekommt man Wochen im voraus keine Karten, weil dieses Theater Weltruf hat - nicht zuletzt auch wegen seines Generalmusikdirektors Kyrill Petrenko, der 2010 erst 38 Jahre alt sein wird und in den ich die allergrößten Hoffnungen setze. Christian Thielemann und Fabio Luisi, die ich ebenfalls sehr schätze, haben in Berlin Furore gemacht. Und auch Deutsche Oper und Staatsoper beteiligen sich am kulturellen Gespräch dieser Stadt.

Herr Homoki[der Gegenentwurf der Deutschen Opernk]

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