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Raddatz

© dpa

Opernstiftung: Prunksitzung

Berlins Opernstiftung bekommt einen neuen Chef - Peter F. Raddatz, bisher Intendant der Kölner Bühnen. Sein Vorgänger Stefan Rosinski wird zum Geschäftsführer der Abteilung Bühnenservice degradiert.

Prinz, Bauer und Jungfrau bilden das Kölner Dreigestirn, und wo sie auftreten, bleibt dieser Tage kein Karnevalistenauge trocken. Humor ist, wenn man trotzdem lacht, he he, das mag sich nun auch Berlins Regierender Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit gedacht haben und ließ sich vom legendären „Trifolium“ inspirieren. Am Augenauswischen jedenfalls hat es bei der gestrigen Stiftungsratsprunksitzung der Berliner Opernstiftung nicht gefehlt. Mit Wowereit selbst als Prinz, natürlich, mit Stefan Rosinski als Bauer(nopfer) und mit „Ihrer Lieblichkeit“ Peter F. Raddatz als Jungfrau. Ein Coup, tä tää, ein Desaster, eine reine Verzweiflungstat?

Mit anderen Worten: Der Geschäftsführende Intendant der Kölner Bühnen, Peter F. Raddatz, übernimmt zum 1. September als Generaldirektor die Leitung der Berliner Opernstiftung. Sein Vorgänger Stefan Rosinski, seit Februar 2007 kommissarisch im Amt, bleibt kaufmännischer Geschäftsführer der Abteilung Bühnenservice. Raddatz, 56, der die Berliner Opernstiftung bis 2014 leiten soll, sammelte erste Theatererfahrungen u.a. am Hamburger Schauspielhaus und fungierte phasenweise auch als künstlerischer Leiter der Kölner Oper. Ein Mann mit Vermittlerqualitäten, sagt man am Rhein, eher still, gern im Hintergrund. Kölns Kulturdezernent übrigens heißt Georg Quander und war einst Intendant der Berliner Lindenoper. Ob sich hier Fäden spinnen?

Warum Rosinski so plötzlich gehen muss respektive so rüde degradiert wird, darüber lässt sich nur spekulieren. Gearbeitet hat er gewiss nicht schlecht. Aber seine unverblümten Forderungen nach einer tragfähigen Struktur, ja überhaupt nach mehr politischem Engagement für die Opernstiftung, stießen früh auf prominenten Widerstand. Rosinski habe sich der „Majestätsbeleidigung“ (apropos Karneval!) schuldig gemacht, so die Lesart in Oppositionskreisen, deswegen schicke Wowereit ihn nun in die Wüste und seinen Amtsvorgänger Michael Schindhelm hinterher. Sollten am Ende also erklärte Opernstiftungsgegner wie Daniel Barenboim triumphieren, und die Neubesetzung des Direktorenpostens stellt lediglich eine lässliche Formalie auf dem Weg zur Abwicklung des Ganzen dar? So richtig funktioniert hat die Abstimmung unter den drei Opernhäusern nie, allem Stiftungsehrgeiz zum Trotz. Weil es vielleicht gar nicht funktionieren soll?

Dafür immerhin spräche folgendes Gerücht: Donald Runnicles, der designierte Generalmusikdirektor der Deutschen Oper, scheint spätestens ab 2011, wenn der Vertrag von Kirsten Harms endet, an der Bismarckstraße sein eigener Intendant werden zu wollen. Sicher, es wird viel geschwätzt, wenn der Ruf mal lädiert ist. Eleganter aber, unauffälliger, blauäugiger als so wird man Berlins größtes Opernhaus nie wieder los. Und spätestens dann braucht es auch keine Stiftung mehr. Wenn’s nicht nur gewissenlos wäre oder chaotisch oder blind, man würde fast sagen: taktisch genial.

Am Sonntag gibt Runnicles sein Debüt beim Deutschen Symphonieorchester in der Philharmonie. Auf dem Programm: Werke von Webern, Alban Berg und Mahler. Letzerer wusste, was es heißt, als Dirigent ein Opernhaus zu leiten – und zog sich 1907, nach zehn zerrüttenden Jahren als Wiener Hofoperndirektor, frustriert und krank nach New York zurück.

Berlin ist nicht Wien, gewiss, und wir schreiben ganz andere Zeiten, aber ob Runnicles, der gebürtige Schotte, weiß, auf was er sich da im Fall des Falles einlässt? Auch weniger historische Beispiele (Karajan und Lorin Maazel ebenfalls in Wien, Wolfgang Sawallisch in München oder, ganz akut, Simone Young in Hamburg) verheißen wenig Gutes. Erfahrungsgemäß produziert eine solche Ämterbündelung nicht nur mäßige Intendanten, sondern vor allem rasch unter ihr eigenes Niveau sinkende Dirigenten. Wer tagsüber Spielpläne schmiedet und Politiker pampert, der krempelt abends nicht mal eben die Frackärmel runter, um eine rassige „Carmen“ oder eine funkelnde „Götterdämmerung“ zu dirigieren.

Dass Runnicles mit Kirsten Harms nicht würde arbeiten wollen, ist seit seiner Berufung im Oktober 2007 klar: Er setzte auf Philharmoniker-Intendantin Pamela Rosenberg – und die wiederum auf ihren Ruhestand. Andererseits sind die Zeiten vorbei, da renommierte Kandidaten vor der Deutschen Oper Schlange stehen. Ebenso dürfte die Akzeptanz gen Null tendieren, sich erneut, wie im Falle Harms, mit einer „kleinen“ oder gar jungen Lösung aus der Provinz zu behelfen. Der Karren steckt fest. Was bleibt also anderes übrig als ein Dirigenten-Intendant Runnicles (wofür im Übrigen auch finanzielle Argumente sprächen)?

Für die Opernstiftung bedeutete eine solche Entscheidung – wir reden immer noch im Konjunktiv – nichts Gutes. Das herrschende Ungleichgewicht zwischen Staatsoper und Deutscher Oper würde weiter zementiert. Der Stiftungsdirektor dürfte weiter tatenlos zusehen. Auch Raddatz wird wissen: Ein Intendant, der vor allem im Orchestergraben glänzen will, ist von vornherein labiler als ein Jürgen Flimm, der mit Barenboim im Rücken kräftig Wind machen kann und wird.

Womit wir bei der nächsten Baustelle wären. Entweder die Nervosität in Sachen Lindenopern-Intendanz war vor Weihnachten so groß, dass sich der Schnellschuss von selber löste; oder aber die Verhandlungen mit Flimm wurden derart dilettantisch geführt, dass man schlicht vergaß, abzuklären, ob der amtierende Chef der Salzburger Festspiele ab 2010 überhaupt zur Verfügung stünde. Prompt schalten die Österreicher jetzt auf stur. Wie gemeldet, wird Flimm seinen Vertrag in Berlin erst nach einer entsprechenden Freigabe unterzeichnen. Und die ist immer noch völlig offen.

Die Bewerbungsfrist für Flimms Nachfolger in Salzburg endet am 28. Februar 2009, eine Findungskommission soll bis 30. April drei geeignete Bewerber vorschlagen, aus denen das Festspielkuratorium dann bis 30. Juni den richtigen Kandidaten kürt. Das heißt: Findet sich in der internationalen Szene jemand, der zufällig ab 2010 spazieren geht und außerdem bereit ist, die bestehenden Pläne bis 2012 kostenneutral abzuarbeiten, könnte Flimm vorzeitig gehen. Ist dies nicht der Fall, wird es eng für Berlin. Wenn Flimm erst 2012 kommt, als 71- Jähriger und magere zwölf Monate vor der projektierten Wiedereröffnung des Hauses Unter den Linden, nützt das niemandem. Auch und gerade dann nicht, wenn der Beginn der Sanierungsarbeiten, was ebenfalls gemunkelt wird, sich um mindestens ein Jahr verzögert.

In der Salzburger Findungskommission übrigens sitzt auch Eva Wagner-Pasquier: „Leiterin der Bayreuther Festspiele“, so dort ihr Titel. Das klingt kühn, denn weder sie noch ihre Halbschwester Katharina haben bislang entsprechende Verträge unterschrieben. Die Kompetenzen sind’s, so gerüchtelt es wagnerweise durch die Republik: Wer wird erste, wer zweite Festspielleiterin? Wer erhält das Letztentscheidungsrecht? Magische Orte wie der Grüne Hügel feiern eben das ganze Jahr über Karneval.

Christine Lemke-Matwey

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