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Kultur: Opium fürs Volk

Skandal oder Sensation in Düsseldorf? Ein Textil-Discounter verkauft Grafiken von Jörg Immendorff zum Schnäppchenpreis

Verheißungsvoll leuchtete der Name des gegenwärtig wohl meistdiskutierten Künstlers der Republik in den Schaufenstern von Strauß Innovation in der Düsseldorfer Altstadt. 100 Immendorff-Grafiken zu je 450 Euro wurden verkauft und alle, alle wollten eine haben. Ab vier Uhr morgens bildeten sich lange Schlangen vor den Geschäften, und innerhalb von fünf Minuten war alles verkauft. Der Künstler, der bei dem Verkauf leer ausgeht, war über den enormen Ansturm auf seine Kunst gar nicht glücklich – er kündigte an, einen Anwalt einzuschalten. Gegen den zeitlich perfekt platzierten Verkauf der Druckserie wird Jörg Immendorff aber nicht vorgehen können – handelte es sich doch bei der „Hommage an Hogart“ um eine Edition, die 1997 als Auftragsarbeit entstand und honoriert worden war. Weit mehr also als die Rechtmäßigkeit dieser aus unternehmerischer Sicht überaus erfolgreichen Aktion dürfte also ihre Qualität als Symptom einer Verschiebung im Kunstmarkt interessieren: Erst gab es auflagenstarke Billigkunst von Felix Droese bei Aldi, nun mischen sich auch andere ins lukrative Geschäft um Editionen ein und betreten im gleichen Zug ein neues Preisniveau. „Skandal“, ruft Immendorff – doch aus dem Wald schallt nichts zurück. Vielleicht sind die geschäftstüchtigen Textilhändler nur auf einen längst in voller Fahrt befindlichen Trend aufgesprungen und schließen damit vor aller Augen und nicht nur innerhalb der diskreten Etablissements der Kunstszene eine längst nicht mehr klaffende Schere aus Kunst und Kommerz.

Kunstzeitschriften wie „Parkett“ oder die stets auf Integrität pochenden „Texte zur Kunst“ finanzieren sich nicht unerheblich über aufwändige Künstlereditionen. Und wer würde behaupten wollen, dass die Berichterstattung renommierter internationaler Kunstmagazine nicht gelegentlich von den Anzeigen abhängig gemacht wird?

Außerdem existiert in virtuellen Märkten wie Ebay ebenfalls ein florierender Kunstmarkt – aus dem sich auch Sammler vom Schlage eines Wilhelm Schürmann bedienen – mit ungeahnten Belebungseffekten auf Sammlung und Kunstdiskurs. Warum also nicht einen Schritt weiter gehen und die Kunst für alle zugänglich machen – solange für Qualität und transparente Handelsbeziehungen zwischen Künstlern und Verkäufern gesorgt ist. Möglicherweise mischt sich die Kunst auf diesem Weg wirklich einmal wieder unters Volk, und das müsste doch auch im Sinne des Malerfürsten sein.

Magdalena Kröner

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