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Orchesterfusion: DSO: "Wir kämpfen"

Das Deutsche Symphonie-Orchester spielt gegen die Fusionspläne an. Die Musiker verteilen Flugblätter, in denen dazu aufgefordert wird, die politischen Entscheidungsträger unter Druck zu setzen.

Zu Anfang demonstriert das Publikum: Mit minutenlangem energischen Applaus feiert es in der ausverkauften Philharmonie die Musiker des Deutschen Symphonie-Orchesters, noch bevor der erste Ton erklungen ist. Denn allen im Saal ist klar, dass dies ein besonderer Abend ist – das erste Konzert, nachdem am Freitag der Plan bekannt wurde, das Orchester mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester zu fusionieren. Natürlich haben auch die Musiker in den letzten fünfzehn Jahren gelernt, was sie in solch einer Krise tun müssen. Nach dem Konzert verteilen Sie Flugblätter, in denen dazu aufgefordert wird, die politischen Entscheidungsträger unter Druck zu setzen, auch eine Onlinepetitionsliste gibt es schon (www.dso-petition.de), nach der Pause wendet sich der Betriebsratsvorsitzende des DSO, Ulrich Schneider, mit einem kurzen Appell an die Konzertbesucher. Von einem Akt des kulturellen Kahlschlags spricht er, von einem fatalen Signal für die deutsche Kulturlandschaft und die Kulturhauptstadt Berlin und verspricht: „Wir werden kämpfen!“

Die Spannung, die auf diesem Abend lastet, wäre allerdings auch ohne diese plötzliche Bedrohung groß genug gewesen. Mit Tugan Sokhiev steht der heißeste Kandidat für die Nachfolge des scheidenden DSO-Chefs Ingo Metzmacher am Pult. Der 32-jährige Russe ist auf dem Sprung zur ganz großen Karriere – im Januar wird er sein Debüt bei den Philharmonikern geben. Und dieser Abend dürfte seine Chancen nicht verschlechtert haben. Souverän lenkt Sokhiev die Musiker schon in Alexander Borodins kurzer „Steppenskizze aus Mittelasien“ auf dem Pfad zwischen Kontrolle und Freiheit. Der Gegensatz zwischen dem „europäischen“ und dem „asiatischen“ Thema wird nicht polemisch forciert; stattdessen lässt Sokhiev den Klang aufblühen. Auch Tschaikowskys fünfte Sinfonie besitzt so eine entwaffnende Selbstverständlichkeit. Die Bläsersoli klingen beseelt, das große Gefühl und der Schicksalston, all das ist da. Im Finale, nach Petersburger Tradition sehr schnell genommen, verhärtet sich der ernste Ton fast bis zur Verbissenheit – Tschaikowsky als Pate Schostakowitschs.

Dazwischen Dvoraks Cellokonzert mit dem 30-jährigen Johannes Moser: Mit einer Lebendigkeit des Ausdrucks und Hingabe, die erklären, weshalb der Münchner beim Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb triumphieren konnte. Der virtuose Reißer wird so zum Konzert im eigentlichen Sinne; zur Zwiesprache zwischen dem Cello und dem Orchester, die alle Facetten vom intimen Flüstern bis zur großen dramatischen Geste hat. Momente, in denen man alles andere vergisst.



Unterdessen hat sich Marek Janowski, der Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin (RSB), erstmals in einer schriftlichen Stellungnahme zu dem Konflikt um die „Rundfunk-Orchester und -Chöre GmbH Berlin“ (ROC) geäußert. Sein bis Sommer 2016 laufender Vertrag gelte allein für das RSB, dessen künstlerischer Weiterentwicklung sein „absolut vorrangiges Interesse“ gelte. Er sei über die mittelfristigen Finanzierungsprobleme der ROC informiert, hoffe aber, dass eine Lösung gefunden werden kann, die dem RSB wie auch dem von Janowski „hoch respektierten“ Deutschen Symphonie-Orchester (DSO) langfristige Perspektiven eröffnet. Damit widerspricht der Dirigent dem Intendanten des DeutschlandRadios Willi Steul, der behauptet hatte, Janowski stehe als Leiter für ein fusioniertes Orchester zur Verfügung.

Scharfe Kritik an Steuls Informationspolitik übte ROC-Intendant Gernot Rehrl am Montag im RBB-Kulturradio: „Ich vermisse einen runden Tisch, an dem alle Betroffenen zusammen sitzen, um im Dialog eine vernünftige Lösung zu erreichen.“ Die Musiker hatten am Freitag von den Fusionsplänen aus den Medien erfahren. Rehrl bezweifelt, dass zwei „gewachsene Organismen“ wie das DSO und das RSB bis 2011 zu einem Spitzenorchester fusioniert werden können: „Wir sind ja hier nicht im Bankgewerbe.“ F. H.

Jörg Königsdorf

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