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Kultur: "Original Sin": Herz oder Bauch

Wenn in amerikanischen Filmen Theater gespielt wird, dann meistens Shakespeare. "Original Sin" ist origineller: "Faust"!

Wenn in amerikanischen Filmen Theater gespielt wird, dann meistens Shakespeare. "Original Sin" ist origineller: "Faust"! In diesem Film noir-Versuch gibt es zwar nur eine wenige Sekunden dauernde Theater-im-Film-Szene, aber die ist umso bedeutungsschwangerer inszeniert. Das Theater: ein bröckelnder Barockpalast irgendwo im Kuba des 19. Jahrhunderts. Auf der Bühne: eine Tingeltangeltruppe, erbärmlich chargierend. Der Chef der Truppe, an den Hörnern seines Kostüms als Gottseibeiuns zu erkennen, trifft sich hinter den Kulissen mit einer Zuschauerin. Beobachtet werden sie vom eifersüchtigen Ehegatten. Mephisto flirtet mit Gretchen! Und Faust guckt zu! Angelina Jolie, die Frau zwischen zwei Männern, ist Gretchen, also eine verführte Unschuld. Und Antonio Banderas, einmal mehr in der Rolle des lateinischen Liebhabers, ist Faust, mithin ein Sinnsucher, der zu ergründen versucht, was die Welt im Innersten zusammenhält. Irgendetwas in der Art scheint Regisseur Michael Cristofer sagen zu wollen. Aber, so flüstert es Jolie ihrem Mephisto zu, "das hier ist bloß ein billiges Melodram". Das gilt allerdings mehr für "Original Sin" als für den "Faust".

Billig im ökonomischen Sinn war "Original Sin" sicher nicht. Der Film hat einiges gekostet, und das möchte er mit beinahe jeder seiner erlesenen Einstellungen auch zeigen. Voll aufgetakelte Segelschiffe im Hafen von Havanna im Gegenlicht! Fin-de-siècle-Bordellszenen wie von Toulouse-Lautrec! Das Billige an "Original Sin" ist seine Dramaturgie: Dem Film gelingt es nicht, seine Postkartenmotive zum Krimiplot zu verknüpfen. Erzählt wird, frei nach Cornell Woolrichs Noir-Klassiker "Walzer in der Dunkelheit", die Geschichte einer Besessenheit. Banderas spielt einen kubanischen Kaffee-Exporteur, der eine amerikanische Braut importiert. Die Braut, von Jolie gegeben, ist eine fatale Frau. Banderas kannte sie nur aus Briefen, geheiratet wird gleich nach ihrer Ankunft. Jolie raunt rätselhaft: "Ich bin gekommen, um der Zukunft zu entkommen." Ein Sommer der Liebe vergeht, dann stellt sich heraus, dass Jolie nicht die richtige Braut ist. Die richtige Braut wurde ermordet. Jolie flieht, nicht ohne seine Millionen. Banderas, auf Rache dürstend, beginnt die Verfolgung.

Woolrichs "Walzer in der Dunkelheit" ist ein raffinierter Thriller über zwei Menschen, die miteinander Katz und Maus spielen, ein psychologischer Engtanz. Truffaut hat ihn 1969 mit Jean-Paul Belmondo und Catherine Deneuve verfimt. Michael Cristofer macht daraus eine Polonaise durch die Hotelfluchten und über die Landstraßen eines vormodernen Kuba. Warum er die Handlung überhaupt aus Woolrichs Südstaaten auf die Karibikinsel verlegt hat, bleibt unklar. Vermutlich deshalb, weil Kuba momentan hip ist und für dampfende Erotik steht. So schmachten die Latin-Trompeten, wenn Banderas und Jolie einander in der Blechbadewanne näherkommen. Und die Zigarette danach ist in diesem Fall natürlich eine Havanna.

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