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Steffen Reck vor einer Mauer

© GMfilms

Ost-West-Dokumentation "Engelbecken": Ehe als Rettung

In der Ost-West-Doku „Engelbecken“ erinnern Gamma Bak und Steffen Reck an ihre Liebe zu Zeiten der Deutschen Teilung. Der Film zeigtz vor allem den Druck, unter dem sie standen.

Armeedienst oder sofortige Ausreise. Vor dieser Wahl stand Steffen Reck im Herbst 1987. Den Prenzlauer Berg verlassen wollte das Gründungsmitglied der einzigen freien Theatergruppe der DDR („Zinnober“) nie, „zur Fahne gehen“, wie man im Osten sagte, erst recht nicht. Er wusste überhaupt nicht, wie es mit ihm weitergehen sollte. Depressionen plagten ihn. Sein einziger Halt war die junge West-Berlinerin Gamma Bak, die ihn per Tagesvisum mit allem Notwendigen versorgte. Eheschließung, Ausreise, das war der Ausweg aus einem so nicht mehr lebbaren Leben.

25 Jahre nach dem Mauerfall erinnern sich Bak und Reck an ihre Liebe. Gamma Bak hat schon einmal, mit ihrer Selbstbefragung „Schnupfen im Kopf“ (2010), gezeigt, dass sie mit schwierigem autobiografischen Material umgehen kann. Wie damals zerlegt sie Videoaufnahmen, montiert Dokumente hinzu, der Zuschauer fühlt sich, als säße er mit am Schneidetisch, und doch steht am Ende ein schlüssiges Erlebnis, eine Katharsis vielleicht sogar. Das Thema blieb fast gleich: die überwundene Neurose der Regisseurin im ersten, Recks Verfolgungswahn, lähmende Angstzustände im zweiten Film. „Wo ist die Liebe geblieben?“, ruft in einer „Zinnober“-Aufführung ein Darsteller. Aber das will der neue Film nicht fragen, sondern unter welchem Druck sie stand. Aktenstücke aus dem Bestand der Jahn-Behörde, Reck und Bak betreffend, gleiten aus einem Drucker, dazu eine Aufforderung der Volkspolizei, „zur Klärung eines Sachverhalts“ unverzüglich in der Dienststelle zu erscheinen. Reck folgte, die Einbestellung zur Musterung warf er in den Ofen.

Als rettender Engel in den Prenzlauer Berg

Gamma Bak wirbelt in den Dokumenten, greift auch mal zum Stift, um Bilder zu übermalen, klebt Postkarten, Telegramme und heimlich gedrehte Videoaufnahmen zwischen die Gespräche und behält den Erzählfaden bis zum Schluss fest in der Hand. „Ich hätte mich arrangiert“, kommentiert der Stiefvater den Lebensweg des Außenseiters. Der Blick bleibt auf den öden Osten gerichtet. Gamma Bak inszeniert sich als rettenden Engel, der von seiner Wohnung nahe dem Kreuzberger Engelbecken in das Verfallsbiotop Prenzlauer Berg einschwebt. Irgendetwas muss danach noch passiert sein, mit dieser Ehe, die nicht lange hielt, mit der Gruppe „Zinnober“ und mit der Oase Engelbecken sowieso. Man würde es gern erfahren – aus nüchternem Abstand.

"Engelbecken", Moviemento, Brotfabrik

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