zum Hauptinhalt

Kultur: Ostern: Warum diesmal alle zusammen feiern

Die Kirchen in Ost und West feiern das Osterfest dieses Jahr am gleichen Tag. Aber dies haben nicht die Kirchenfürsten beschlossen.

Die Kirchen in Ost und West feiern das Osterfest dieses Jahr am gleichen Tag. Aber dies haben nicht die Kirchenfürsten beschlossen. Es ist schlicht Zufall. "In der Regel", erklärt Professor Roland Wielen, Direktor des Astonomischen Rechen-Instituts in Heidelberg, "ist es äußerst selten, dass beide Osterfeste zusammenfallen. "2002 liegen wieder sechs Wochen dazwischen." Die Jahre danach werden dann aus dem Rahmen fallen: Viermal wird zwischen 2004 und 2011 gemeinsam gefeiert. "Das", sagt Wielen, "ist schon eine Überhäufigkeit."

Seit über 300 Jahren ist sein Institut die höchste Instanz für Kalenderfragen hierzulande. Bis heute geben die Wissenschaftler alljährlich die amtlichen "Astronomischen Grundlagen" für Kalender heraus. Neben astronomischen Daten - wie den Zeiten für Aufgang und Untergang von Mond und Sonne - enthält er zahlreiche andere offizielle Angaben - von den Feiertagen über die kirchlichen Namens- und Heiligentage bis zu Zeitrechnungen anderer Religionen.

Imposante Fernrohre, Teleskope und ähnliche astronomische Geräte sucht man allerdings vergebens in dem Institut. Stattdessen gibt es die üblichen schlichten Büros mit Computern und Regalen voller Bücher, viele davon gefüllt mit endlosen Zahlenkolonnen. Denn hier wird vor allem gerechnet. Nur die faszinierenden Sternenfotos auf den Fluren oder alte Stiche mit historischen Messinstrumenten geben dem Laien den Hauch einer Ahnung davon, um was es den Heidelberger Astronomen wirklich geht.

Deren Vorgänger haben ihre Arbeit am 10. Mai 1700 in Berlin aufgenommen, nachdem ihnen der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. und spätere preußische König Friedrich I. das so genannte Kalenderpatent verliehen hatte. Das sicherte den Astronomen die Hoheit über die Kalenderdaten. 1944 wurde das Institut wegen Bombenangriffen von Berlin ins ländliche Sachsen verlegt. Von da haben es dann die Amerikaner nach dem Krieg ins unzerstörte Heidelberg verlagert - weil sie es nicht den Russen überlassen wollten. Seit Juni 1945 ist der frühere preußische Astronomenhort, der auch während des Krieges ungeniert seine Daten mit Kollegen in England und USA austauschte, deshalb ein Grundlagenforschungsinstitut des Landes Baden-Württemberg.

Kalenderberechnungen spielen bei der täglichen Arbeit heute aber nur noch eine Nebenrolle. Gerade zwei der 50 Mitarbeiter des Instituts sind damit beschäftigt - und auch sie nur zwei Wochen im Jahr. Die Schwerpunkte der Forschung liegen in der Stellardynamik und in der Astrometrie; auf beiden Gebieten, erklärt Wielen, gehe es um die Bewegung der Sterne, die möglichst ge-naue Bestimmung ihrer Position, die Eigenbewegung und Entfernungen.

Das besondere Augenmerk der Heidelberger Astronomen gilt sonnennahen Sternen, Sternhaufen, unserer Milchstraße und anderen Galaxien im Universum. Dabei haben sie in den letzten Jahren beispielsweise herausgefunden, dass der Entstehungsort der Sonne sehr viel näher am galaktischen Zentrum lag als ihr heutiger Standort. Das Heidelberger Institut war wesentlich an der europäischen Satellitenmission Hipparcos beteiligt, zurzeit plant man dort federführend den Bau des deutschen Kleinsatelliten Diva, der ab 2004 rund 35 Millionen Sterne vermessen soll, und man hofft schon sehr auf das nächste europäische Großvorhaben Gaia.

Angesichts solcher Projekte verblassen die Fragen nach dem Osterdatum ein wenig. Dabei wäre die Berechnung des Festtages, rein astronomisch betrachtet, gar nicht so schwierig. Man könnte sich im Wesentlichen an das 1. Kirchenkonzil von Nicea halten, das im Jahr 325 festlegte, dass das Fest immer auf den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsbeginn fallen soll. Doch weil früher selbst Astronomen um die richtigen Daten gestritten haben, hat die Kirche später zusätzliche Regeln aufgestellt, die die Pfarrer bei ihren Berechnungen von den Gestirnen unabhängig machen sollten.

Diese Regeln hat der Mathematiker Friedrich Gaus (der Mann auf dem Zehn-Mark-Schein) 1800 dann in eine komplizierte Formel gegossen - mit der heute auch die Heidelberger Astronomen das Fest berechnen. Weil aber der julianische Kalender, an dem sich die orthodoxe Kirche orientiert, wegen etlicher fehlender Schalttage, dem gregorianischen Kalender des Westens 13 Tage hinterherhinkt, kommt man auch mit Gaus zu keinem gleichen Datum.

Johanna Eberhardt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false