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Kultur: Panoramablick

Berliner „Ultraschall“ mit Musik aus Polen und Italien

Im achten „Ultraschall“-Jahr schweift der Blick süd- wie ostwärts. Hier liegt das Italien des 1926 geborenen Franco Evangelisti, der das Komponieren mit Ende dreißig aufgab, um fortan mit der Improvisationsgruppe „Nuova consonanza“ zu arbeiten, dort leben zwei Generationen polnischer Komponisten, die das Erbe eines Krzysztof Penderecki und Witold Lutoslawski verwalten. Bei solchen Vorgaben lässt sich die musikalische Zeitleiste in Ruhe betrachten: Penderecki fiel einem „ästhetischen Konjunkturalismus“ (Daniel Cichy) anheim, während Lutoslawski zum Klassiker der Gegenwart wurde. Der Zufallsgedanke in der zeitgenössischen Musik nimmt nicht den Raum ein, den Evangelisti ihm einst zudachte, doch hat die Arbeit seiner Generation mit Computer und Live-Elektronik noch Komponisten wie den 1969 geborenen Michal Talma-Sutt oder die 1978 geborene Agata Zubel inspiriert. „Ultraschall“ , das unter anderem von den beiden Berliner Rundfunkanstalten getragene Festival für Neue Musik, zeigt, dass Avantgarde und Klassizität, Zufall und Determination noch immer die wichtigsten Koordinaten der Neuen Musik sind.

Heuer beginnt man mit Evangelistis Musikszenario „Die Schachtel“ (1963), speziell aufbereitet, indem die Sophiensäle selbst zur Schachtel werden. Enden hingegen wird das Festival mit den „Chantefleurs et chantefables“ (1991) von Lutoslawski. Orchester- und Kammermusikkonzerte, Komponistengespräche und zwei musiktheatralische Uraufführungen liegen dazwischen: Die Staatsoper bringt Pascal Dusapins „Faustus, the Last Night“, eine um Extrafiguren bereicherte Bearbeitung des Fauststoffes, und der Rundfunkchor führt Christian Josts „Angst – Fünf Pforten der Angst“ für Chor, Instrumentalensemble und filmische Projektion auf. Derweil wird polnisch und italienisch weitergedacht und vorgeführt, wie das wohl gewesen sein könnte, als Ennio Morricone bei der „Nuova consonanza“ mitmachte. Man spielt frühe Kompositionen Pendereckis, die noch ganz dem Avantgarde-Gedanken der Sechzigerjahre verpflichtet sind, etwa die Hiroshima-Trauermusik „Threnos“. Orchesterwerke von Tadeusz Wielecki oder Krzysztof Knittel erklingen, die den „Warschauer Herbst“heute prägen, und es wird Musik der jungen polnischen Generation gespielt, Hanna Kulentys Trompetenkonzert (2002) und „3 for 13“ von Pawel Mykietyn, der in den 1990ern als kompositorisches Wunderkind bestaunt wurde. Exotika säumen das südöstliche Panorama – Xavier Le Roy hat einen Tanzabend mit Musik von Helmut Lachenmann inszeniert, im Podewil kommt es zur elektroakustischen Vermählung von Dada und Fluxus, und der DAAD stiftet ein Doppelkonzert mit Musik von Mark André und Lucia Ronchetti.

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