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Kultur: Panzer aus Sangeskunst

LIED (2)

Worum es in der zweiten Zugabe ging, werden wir wohl nie erfahren. Um Zärtliches, um Trauriges. Vielleicht. Ein kleines bulgarisches Lied, die Kantilenen duftig, die Melodien schlicht-schön und sehr melancholisch. Hier, am Ende ihres umjubelten Liederabends in der Deutschen Oper , war Vesselina Kasarova plötzlich ganz bei sich.

Hier fand der Ausdruck eine Mitte, hier begann ihr rassiger, von den Haarspitzen bis in die Tiefen des Bauchnabels reichender Mezzo sein rastloses Mäandern zwischen Kopf- und Bruststimme ein wenig zu zügeln, hier hörten auch die Hände auf, buchstäblich jeden Ton einzeln in die Luft zu modulieren. Noch ein einziges Mal glückte solches sich Versenken, solch stille Innenschau: Bei Brahms’ „Von ewiger Liebe“, einem Lied mit Balladentimbre, welches Vesselina Kasarova ganz ohne übertriebene Rollenmimik (Bursche und Mägdlein sprechen) als ein Drama des Begehrens entfaltete, als schauerliches Schuldigwerden am Liebeswollen des anderen.

Das übrige Programm: ein Panzer aus atemberaubender Sangeskunst. Während die französischen Lieder (Gounod, Bizet) durch kristalline Phrasierungen bestachen und eine herrlich süffige Leichtigkeit, gaben Haydns „Ariadne“- Kantate zu Beginn und Rossinis „Giovanna d’Arco“ Rätsel auf: längliches Ausloten der Resonanzräume hier, Hochseilkoloraturen da.

Vesselina Kasarova wird aufpassen müssen, nicht einem Können, einer sängerischen Virtuosität zu erliegen, der bald nichts mehr natürlich oder selbstverständlich ist. Und vielleicht täte ihr auch ein etwas temperamentvollerer Begleiter gut: Charles Spencer am Klavier jedenfalls wusste mit seinem dürren, strohigen Ton nicht besonders viel zum Gelingen des Abends beizutragen.

Christine Lemke-Matwey

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