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Kultur: Papa Pop

Der britische Künstler Richard Hamilton wird 85

Gemütlichkeit strahlt das Zimmer nicht aus. Ein Bodybuilder posiert mit einem gigantischen Lollipop in der Hand, das Pin-Up-Mädchen auf dem Sofa drückt den Busen raus. Eine Comicszene an der Wand, Neonreklame vor dem Fenster, Möbel, Tonband, Fernseher, Zeitung – die Moderne sieht 1956 in dieser Collage von Richard Hamilton schon ziemlich zugemüllt aus. „Was ist es nur, was heutzutage das Zuhause so anders, so ansprechend macht?“, betitelte der britische Künstler sein Plakat für die Ausstellung „This is Tomorrow“ in der Londoner Whitechapel Art Gallery. Ein „Inventar der Populärkultur“ fand der Kritiker Lawrence Alloway in Hamiltons Bild und gab der neuen Bewegung einen Namen: Pop-Art.

Seither gilt Richard Hamilton, der heute 85 Jahre alt wird, als deren Erfinder. Die Comic-Schönheiten Roy Lichtensteins, Andy Warhols Stars, selbst Jeff Koons’ Staubsauger leuchten bereits aus seiner Collage herüber. „Populär, flüchtig, billig, jung, witzig, sexy, trickreich, glamourös und Big Business“ solle die Kunst sein, forderte der gebürtige Londoner. Er baute Spaßparcours und Spiegelkabinette, arbeitete schon 1971 mit Computern, kopierte Arbeiten von Duchamp und unterwanderte so dessen Begriff vom Ready-made. In Hamiltons Schriften kann man verfolgen, wie er sich intensiv mit Fragen der Wahrnehmung auseinandersetzt. Das Etikett „Vater der Pop-Art“ lehnt er natürlich ab.

Die Pop-Art ist längst zu Kunstgeschichte erstarrt. Richard Hamiltons Werke aber, für die er vergangene Woche den Max-Beckmann-Preis der Stadt Frankfurt erhielt, wirken immer noch so frisch und raffiniert wie je. Man hört, Hamilton habe sich zuletzt auf einen Bürostuhl durch seine Ausstellungen schieben lassen und sein Werk kommentiert. Man darf ihm dankbar sein: Er machte vor, wie man der massenmedialen Bilderflut in Würde und mit Witz begegnen kann.

Daniel Völzke

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