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Kultur: Papierarbeiten: Oberflächenreize

Meist sind "Papierarbeiten" Verlegenheitsausstellungen der Sommer- und Weihnachtszeit. Doch Asian Fine Arts kleckert nicht mit Kleinformaten, sondern klotzt mit einer sehenwerten Schau monumentaler Formate aus dem Werkstoff Papier in Halle und Garten.

Meist sind "Papierarbeiten" Verlegenheitsausstellungen der Sommer- und Weihnachtszeit. Doch Asian Fine Arts kleckert nicht mit Kleinformaten, sondern klotzt mit einer sehenwerten Schau monumentaler Formate aus dem Werkstoff Papier in Halle und Garten. Die drei Künstler aus Korea und China haben sich im Westen niedergelassen und waren in Europa an mehr Ausstellungen beteiligt als in China und Korea. Ihre Werkentwicklung fand jenseits von Asien statt, und ihre Blicke auf das bildnerische Erbe der Herkunftsländer sind gespalten. Diese Gespaltenheit schafft hierzulande leichtere Zugänge als die trügerische Ungebrochenheit, die Ausstellungen in Botschaften und Hotels von Künstlern aus China und Korea oft vorführen.

Die Künstler In Ho Baik, Xu Bing und Zhu Jinshi benutzen mit Reispapier und Bambus Elemente, die man zur Folklore aus Fernost rechnet. Aber ihre Anwendung ist flexibel genug, das bildnerische Vorgehen mit europäischen Entwicklungen kompatibel zu machen. In Ho Baik nimmt Raumelemente mit nassem weissem Papier ab und präsentiert den Abguss von Schubladenleisten, Heizkörpern, Steigleitern und Schutzvorrichtungen für Kellerbunker an der Wand oder frei im Raum. Er setzt die Objekte in eierschalefarbenem Papier absolut und man ist geneigt, sie für veredelte Tautologien zu halten. Doch das fließende Spiel von Licht und Schatten auf fragilem Reispapier lässt konzeptuelle Einwände ermatten. Die Formen entfalten auf den Oberflächen einen Reichtum retinaler Reize, die das Banale zum Ereignis machen. Überdies konfrontiert sich Baik mit Problemen, die auch Konzeptkünstler wie Daniel Buren oder Niele Toroni von Projekt zu Projekt zu lösen haben: Ohne Kontextbewusstsein wird es Kunsthandwerk (4800 - 60 000 Mark).

Xu Bing ist mittlerweile so lange China fern geblieben, dass er die Eigenschaften eines Fremden gewann. Er fühlte sich China nicht mehr zugehörig und wurde auch nicht mehr als zugehörig angesehen. Nur sein Gedächtnis verband ihn. Diesem entsprangen schlagartig Erinnerungen, als er mit einer Reisegruppe aus Finnland im Himalaya wanderte und ein Tal sah, das den Tälern seiner Jugendzeit ähnelte. Plötzlich begann Xu Bing mit Stift und Block aus schriftartigen Zeichen abstrahierte Landschaften mit Siedlungen und Bäumen zu entwerfen. Der Schock des Wiedererkennens ließ weiträumige Schriftbahnfelder mit flink gezeichneter Hand entstehen. Sie setzen kulturübergreifende Ideen von Schrift und Bild wie ausgeworfene Saat in Bewegung (1200 - 45 000 Mark). Eine solch unverhoffte Kehre könnte auch andere treffen. Wenn die hochtalentierten Künstler, die seit einigen Jahren dem Euromarkt den fröhlichen Pop-Chinesen mit zunehmendem Schmunzelkater vorspielen, die Nachfrage gesättigt und sich selbst in eine Sackgasse manöveriert haben, dann beginnt die gesammelte Kapazität einer seit Jahrhunderten verfeinerten Kunsttradition aufzustehen und zu vibrieren. Momentan ist vieles disziplinierte Vorbereitung.

Peter Herstreuth

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