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Kultur: Pappeln rauschen

Bei den New Yorker Moderne-Auktionen bieten Sammler nur für Exquisites

Wenn die Auktionshäuser insgeheim zufrieden sind, Journalisten dagegen die Auktionen langweilig finden, weil sie, selbst ohne Geld, schnell blasiert werden. Wenn es dazu um hohe Preise geht: Dann ist der Kunstmarkt in Ordnung. So war es diese Woche in New York, als Sotheby’s und Christie’s moderne Kunst für fast 400 Millionen Dollar versteigerten.

Zwar schafften Sotheby’s und Christie’s in den Abendauktionen nicht die Gesamtschätzungen und gab es deshalb einiges Raunen. Aber eigentlich war es ein gutes Zeichen: Die Käufer verweigerten sich übertriebenen Schätzungen. Picassos 1934 gemaltes „Femmes lisant“ beispielsweise blieb mit einem Bruttopreis von 21,36 Millionen Dollar deutlich unter den erhofften 25 bis 35 Millionen – verkauft wurde es trotzdem. Offensichtlich wussten Sotheby’s und der Einlieferer um den zu hohen Preis und hatten das Limit niedrig genug angesetzt, denn das Gemälde aus der in den frühen 30er Jahren von Marie Thérèse inspirierten und nun ungemein populären Serie ist nicht das umwerfendste seiner Art. Andererseits sind solche Trophäen rar, und die Besitzer trennen sich nur aus triftigem Grund. Da braucht es schon ein hohes Preisversprechen, um sie in die Auktion zu locken.

Warum ist das gute Material, wie nun überall beklagt wird, so knapp? Weil sich der Geschmack wandelt und die traditionellen „Impressionisten“, die man vor 15 Jahren noch routiniert verkaufen konnte, für die Prestigeauktionen zunehmend ungeeignet sind. Die Preise sinken, wenn nicht einmal etwas Besonders kommt oder ein Russe oder Asiate Gefallen findet. Gefragt sind Werke an der Schwelle der Moderne wie Claude Monets Gemälde aus der Pappelserie, für das ein asiatischer Käufer bei Christie’s 22,4 Millionen Dollar bezahlte. Der Einlieferer hatte das Werk 2000 für sieben Millionen Dollar ersteigert. Das Bild teilte sich die Spitzenposition bei Christie’s mit Maurice Vlamincks „Paysage de banlieue“, 1905 auf dem Höhepunkt des Fauvismus gemalt, das Supersammler Steve Cohen 1994 für 6,8 Millionen Dollar ersteigerte und das nun für 22,5 Millionen an die Aquavella Galerie ging. Der Preis verdoppelt den bisherigen Vlaminck-Rekord.

Maler wie Pierre-Auguste Renoir haben es schwerer, und man muss mit den Schätzungen besonders vorsichtig sein. Von fünf Renoir-Bildern in den Abendauktionen wurden vier verkauft – aber das teuerste, eine nackte Gabrielle, ging zurück. Eine Badeszene von 1892, die 2009 bei Christie’s trotz einer Schätzung von 1,5–2,5 Mio. Dollar zurückgegangen war, brachte nun in abgewerteten Dollars genau das, was sie 1998 gekostet hatte: 3,4 Millionen. In Maastricht sah man an dem mit Renoirs unermüdlichen Mädchendarstellungen vollgehängten Stand der altertümlichen Hammer Galleries, wie demodée diese Fließbanddarstellungen von Gabrielle und Gefährten wirken. Etwas anders liegt der Fall bei Claude Monets Blumenbild „Iris mauves“, das er während des 1. Weltkriegs malte: Dieses Bild war 1997 noch genauso teuer wie Renoirs, 3,5 Millionen Dollar, sollte nun aber als Vorreiter der Moderne schon 15–20 Millionen Dollar kosten – was die Käufer verweigerten.

Der Schwerpunkt liegt mehr denn je im 20. Jahrhundert, und wieder einmal war Picasso allgegenwärtig. Bei Sotheby’s waren unter den 44 verkauften Losen der Abendauktion acht von Picasso, die zusammen 59 Millionen Dollar brachten – ein Drittel der Auktion. Neben den beiden Lesenden wurde ein zweites Werk mit über 20 Millionen Dollar bewertet: „Les femmes d’Alger“ bei Christie’s, die Version L aus dieser Gruppe von Studien nach Delacroix, die einmal den amerikanischen Sammlern Viktor und Sally Ganz gehörte. Die Einzelfigur in strengem Grisaille wurde gegen die Spitzenhändler Gagosian und Nahmad einem Telefonbieter für 21,3 Millionen Pfund ersteigert. Auch hier hatte die Schätzung mit 20 bis 30 Millionen Dollar dem Einlieferer etwas zu viel versprochen.

Es gab einen glänzenden Preis für Jawlenksys „Frau mit grünem Fächer“ (11,3 Mio. Dollar), einen Rekord für Paul Delvaux (9 Mio. Dollar), wie überhaupt die Surrealisten weiter gefragt sind. Bei den Skulpturen steigen die Preise für Auguste Rodin phänomenal: Eine 2001 noch für 44 5750 Dollar ersteigerte, 38 cm große, zu Rodins Lebzeiten gegossene Version des „Denkers“ kostete nun vier Millionen Dollar. Teuerste Skulptur wurde Paul Gauguins „Jeune tahitienne“ von 1893 aus Holz (11,3 Mio. Dollar). Die Entdeckung von Gauguins nichtmalerischem Werk durch den Kunstmarkt geht weiter.

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