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Kultur: Paris swingt nicht

ALL THAT JAZZ Christian Broecking über die Vertreibung aus dem Paradies Als Steve Lacy unlängst nach mehr als drei Jahrzehnten in die USA zurückzog, wurde das von der amerikanischen Fachpresse als großer Zugewinn für die Szene gewertet. Mitte der Neunzigerjahre hatte der DAAD dem Sopransaxofonisten und Komponisten ein ArtistIn-Residence-Jahr in Berlin spendiert, doch die französische Metropole blieb Lacys Wahlheimat.

ALL THAT JAZZ

Christian Broecking über

die Vertreibung aus dem Paradies

Als Steve Lacy unlängst nach mehr als drei Jahrzehnten in die USA zurückzog, wurde das von der amerikanischen Fachpresse als großer Zugewinn für die Szene gewertet. Mitte der Neunzigerjahre hatte der DAAD dem Sopransaxofonisten und Komponisten ein ArtistIn-Residence-Jahr in Berlin spendiert, doch die französische Metropole blieb Lacys Wahlheimat. Seine Enttäuschung darüber, dass Paris nicht mehr swinge, wirft ein bedenkliches Licht auf das Quotendiktat für französische Musikprodukte im öffentlich- rechtlichen Radio, das sich auch auf die Club-Szene ausgeweitet hat. Aus der französischen Umarmung des Bebop, wie sie einst der Schriftsteller Boris Vian praktizierte, ist in Lacys Augen bloße Duldung geworden.

Wie immer man die Dominanz amerikanischer Jazzkünstler auf dem europäischen Festivalmarkt nun bewerten mag, es gibt in jüngster Zeit intensive Bemühungen, Jazz aus Deutschland im Ausland populärer zu machen, ein Jazz-Export-Büro nach französischem Muster wird erwogen. In Paris gab es vor zwei Wochen ein ungewöhnliches Projekt: Zahlreiche europäische Jazzmusiker, darunter Der Rote Bereich aus Berlin, spielten in den vier renommierten Jazzclubs der Rue des Lombards. Von Dienstagabend an wird das engagierte Club-Festival jeden Abend (bis zum 7. Mai) auf arte gezeigt.

Nach Paris war auch der italienische Trompeter Enrico Rava eingeladen worden, sein jüngerer Kollege Paolo Fresu spielt heute in Berlin. Die beiden Trompeter sind Vorzeigemusiker aus zwei Jazz-Generationen der italienischen Szene, Fresu, Jahrgang 1961, lernte einst bei Rava. Zusammen nahmen sie vor zwei Jahren die Platte „Shades of Chet“ auf. Ihre Version von „My Funny Valentine“ klingt zwar erstaunlich berechenbar. Vielleicht macht den inneren Reiz dieser Einspielung aber genau diese Unaufgeregtheit aus. Bei Don Sebeskys „You Can’t Go Home Again“ klingt jene Intensität und Tiefe an, mit der Chet Baker sein Publikum in den Bann zu ziehen verstand. Enrico Rava, Dienstag auf arte , Paolo Fresu heute im Quasimodo (22 Uhr).

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