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Kultur: Patzer im Palast

Eine

von Frederik Hanssen

Wenn es darum geht, neues Publikum für die Oper zu gewinnen, sind viele Mittel recht: die Übertragung von Wagners „Parsifal“ aus der Berliner Staatsoper zum Beispiel auf eine Großbildleinwand im Palast der Republik. Während Honoratioren und Promis in dem vor 50 Jahren wiedereröffneten Musentempel in Abendgarderobe und enge Stuhlreihen gezwängt festlich schwitzen, lauschen die Besucher in der Ruine dem Bühnenweihfestspiel mit der Bierflasche in der Hand, ausgestreckt auf weichen Polstern. Und zwar gratis. Volxoper im Volxpalast.

Da sah man am Sonntag viele junge Leute, ja sogar Kleinkinder und einen Säugling. So richtig Lust, auch mal gegen Bezahlung eine Aufführung der Staatsoper zu besuchen, machte das Event allerdings kaum: Über die Qualifikation von Filmproduzent Bernd Eichinger zum Musiktheaterregisseur mögen die Meinungen auseinander gehen – die technische Umsetzung des Bühnengeschehens war aber eindeutig zu dilettantisch. Zweimal Bildstörungen mit massivem Schneefall auf der Leinwand innerhalb der ersten Dreiviertelstunde, eine Boxenanlage, die klirrt und scheppert, sobald es im Orchestergraben mal ein wenig lauter zugeht, und die umgekehrt Pfeifgeräusche produziert, wenn die Solisten pianissimo singen – das hält keiner lange aus, dem es um die Musik geht. Und auch dumpf klingender, wie aus weiter Ferne herüberwehender Gesang ist definitiv nur etwas für Stimmfreaks, die sich auch an illegal aus schalldichten Handtaschen mitgeschnittenen Auftritten der Callas in Caracas berauschen können.

Schade, denn die tropischen Temperaturen im Übertragungssaal und die sedierende Wirkung der Eichinger-Inszenierung wären perfekt geeignet gewesen, um in Ruhe über die verschiedenen Gralsritterschaften der Berliner Mitte zu meditieren. Über die Bruderschaft der Palast-Bewahrer beispielsweise, mit ihrem Anführer Thomas Amfortas Flierl, der bei seiner Festrede in der Staatsoper forderte, die Ruine solle so lange stehen bleiben, bis der marode Musentempel Unter den Linden saniert sei. Klar, dass sich da ein Wutgeheul erhob bei der Klingsor-Clique, die sich so heißherzig das alte Stadtschloss an historischer Stelle ersehnt. Beide Seiten stehen sich längst so unversöhnlich gegenüber wie die Parteien im „Parsifal“. Aber wer weiß, vielleicht naht der Erlöser ja nach dem 18. September. Für den Posten des Bundeskulturministers wird gesucht: ein reiner Tor.

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