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PAUKEN & Trompeten: Augen auf und rauf zum Gipfel!

Nicht ganz ungefährlich, was die sich im Radialsystem (Holzmarktstraße 33) für ihre nächste Nachtmusik ausgedacht haben: Ein anderthalbstündiger Yogakurs soll am Samstagabend Geist und Sinne für das Duoprogramm schärfen, nach dem dann ab 22 Uhr in behaglicher Ruheposition Musik für Violine und Cello von Wolfgang Amadeus Mozart bis Iannis Xenakis genossen werden soll. Es spielen Elfa Rún Kristiinsdóttir und Michael Rauter.

Nicht ganz ungefährlich, was die sich im Radialsystem (Holzmarktstraße 33) für ihre nächste Nachtmusik ausgedacht haben: Ein anderthalbstündiger Yogakurs soll am Samstagabend Geist und Sinne für das Duoprogramm schärfen, nach dem dann ab 22 Uhr in behaglicher Ruheposition Musik für Violine und Cello von Wolfgang Amadeus Mozart bis Iannis Xenakis genossen werden soll. Es spielen Elfa Rún Kristiinsdóttir und Michael Rauter.

Nichts gegen Entspannung, aber nach anderthalb Stunden Yoga braucht es eher eine harte Holzbank, um den Kampf gegen den Schlaf überhaupt bestehen zu können. Ohnehin ist die Gefahr des Wegdösens in klassischen Konzerten gerade im Sommer selbst bei quälender Bestuhlung noch groß genug. Selbst im Bayreuther Festspielhaus ratzen die Besucher in der „Götterdämmerung“ manchmal gleich reihenweise, obwohl sich einem die Rückenlehnen der Sitze dort so gemein ins Kreuz drücken, als ob sie an die Wunde des geschundenen Amfortas erinnern wollten. Wer sich also am Samstag auf das Entspannungsdoppel einlässt, sollte besser eine Thermoskanne mit grünem Tee einpacken, um die Optimalbalance von körperlichem Wohlbefinden und geistiger Wachheit zu gewährleisten.

Wenn es jedoch ein Stück gäbe, das man wirklich am liebsten im Liegen hören würde, wären das natürlich Bachs Goldberg-Variationen. Denn auch wenn die alte, durch den ersten Bach- Biografen Johann Nikolaus Forkel überlieferte Legende längst widerlegt ist, das Werk habe dem kaiserlichen Gesandten Graf Kayserlinck in schlaflosen Nächten Nerventrost spenden sollen, passt die Geschichte dennoch irgendwie. Der große Atem, den dieses mit allen Wiederholungen immerhin an die achtzig Minuten dauernde Variationswerk hat, hebt ja gewissermaßen Zeit und Raum auf – in einer guten Aufführung des Zyklus hat man immer ein wenig das Gefühl, als ob hier in aller Seelenruhe das Dasein selbst von allen Seiten her betrachtet wird. Es ist insofern konsequent, dass Christian Rieger mit diesem Gipfelwerk auch den Gipfel seines über drei Jahre angelegten Marathons markiert und ihm am Montagabend die 14. von 27 Folgen seiner Aufführung aller Klavierwerke Bachs widmet (19.30 Uhr Einführung, 20 Uhr Konzert).

Auch wenn das Konzert im Radialsystem stattfindet, darf man diesmal allerdings nicht liegen, sondern ist gehalten, die Bestuhlung zu nutzen. Die Veranstalter versichern allerdings, eine Raumlösung gefunden zu haben, die der Musik und ihrem Interpreten die nötige Intimität sichert. Und das ist vermutlich eh der beste Schutz gegen das Wegdösen.

Jörg Königsdorf

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