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PAUKEN & Trompeten: Da fliegt doch das Blech weg

Jörg Königsdorf über ein Gleichstellungsdefizit bei den Bläsern

So groß die Fortschritte auch sein mögen, die Berlins Orchester in Sachen Gleichberechtigung gemacht haben – an einer Instrumentengruppe scheint die Emanzipation noch weitgehend vorbeigegangen zu sein. Während bei den Geigen mittlerweile manchmal sogar die Frauen in der Überzahl sind, ist das Blech nach wie vor eine Männerdomäne – bei den Philharmonikern, den beiden Rundfunkorchestern, dem Konzerthausorchester und auch bei der Staatskapelle. Nur zwei Stellen sind bei den fünf Berliner Konzertorchestern in dieser Sektion weiblich besetzt: Lediglich eine Hornistin bei den Philharmonikern und eine Posaunistin beim Deutschen Symphonie-Orchester dürfen beweisen, dass auch Frauen in der Metallerbranche mithalten können.

Dahinter braucht freilich nicht misogyne Arglist zu stecken, sondern vielleicht auch bloß die Tatsache, dass sich bisher nur wenige Frauen für Horn, Trompete, Posaune und Tuba erwärmen konnten und schlichtweg keine Lust hatten, ihre Freizeit als Teenager zusammen mit Jungs in Posaunenchören zu verbringen. Wenn dem so ist, so stehen die Chancen auf Besserung derzeit allerdings besser denn je. Denn mit der Britin Alison Balsom gibt es nun auch eine Leitfigur, die pubertierende Mädels animieren könnte, statt zu Flöte oder Geige einfach mal zur Trompete zu greifen. Die 29-jährige Trompeterin, übrigens die einzige Frau, die Wikipedia unter dem Stichwort „Trompeter“ auflistet, macht derzeit große Karriere und hat im vergangenen Jahr im Rahmen eines Exklusivvertrags bei der EMI ein viel gelobtes Album herausgebracht. Ähnlich wie ihr Lehrer, der große schwedische Trompeter Hakan Hardenberger, verlässt sich Balsom nicht nur auf brillantes Geschmetter, sondern versucht, die Ausdrucksskala ihres Instruments möglichst weit ins Lyrische, Kantable auszuweiten. Im Rahmen von Young Euro Classic stellt sich die Trompetenfrau heute Abend im Konzerthaus vor – leider nicht mit einem der vielen Konzerte, die moderne Komponisten in den letzten 20 Jahren für das Instrument schrieben, sondern ganz klassisch mit Johann Nepomuk Hummels Es-Dur-Konzert. Hoffentlich sitzen möglichst viele Mädchen im Publikum.

Jörg Königsdorf

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