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PAUKEN & Trompeten: Die Jagd nach dem Goldenen Vlies

Es gibt Werktitel, die auf geradezu quälende Weise suggestiv sind. Kaum dass man sie gehört hat, glaubt man sofort zu wissen, wie die Musik dazu klingt.

Es gibt Werktitel, die auf geradezu quälende Weise suggestiv sind. Kaum dass man sie gehört hat, glaubt man sofort zu wissen, wie die Musik dazu klingt. „Die Geburt der Venus“ etwa malt man sich unweigerlich mit süßtönendem Wellengekräusel in den Geigen, einem leichten Windhauch von Seiten der Flöten und natürlich mit emphatischen Vokalisen der Chorsopranistinnen aus – die Liebesgöttin, geborenen aus zart irisierenden Perlmuttklängen.

Aber ob’s wirklich nur auf zuckriges Geriesel hinausläuft? Zumindest der Name Gabriel Fauré, aus dessen Feder das nahezu unbekannte Opus stammt, weckt Hoffnungen auf eine Überraschung. Zwar ist das 1882 entstandene Stück noch ein frühes Werk des 1845 geborenen Franzosen, aber schon in den frühesten Liedern Faurés steckt schließlich eine Frische und Poesie, die sie wohltuend von dem meisten Salongeschreibsel seiner Zeit unterscheidet. Vielleicht findet sich diese Poesie ja auch in dem zwanzigminütigen Tribut an die schaumgeborene Venus.

Am Freitagabend werden wir es wissen: Kerstin Behnke hat das Stück mit der Berliner Cappella einstudiert und stellt es zusammen mit einem Solistenquartett und dem Staatsorchester Frankfurt/ Oder im Konzerthaus vor. Und als wäre Fauré bei Berlins nicht unbedingt immer neugierigem Konzertpublikum nicht schon Wagnis genug, gibt es ein noch unbekannteres Stück obendrauf – ebenfalls mit gefährlich suggestivem Titel. Die dramatische Sinfonie „Die Argonauten“ der 1847 geborenen Augusta Holmès, die bei César Franck studierte und von diesem auch das Hantieren mit großen musikalischen Formaten gelernt haben dürfte.

Die Französin mit irischen Vorfahren, die übrigens im deutsch-französischen Krieg als Krankenschwester Dienst tat, wird heute höchstens noch in Komponistinnenbüchern als eine der wenigen Frauen angeführt, die sich im Klassikbetrieb des 19. Jahrhunderts halbwegs durchsetzen konnten. Aufgeführt werden Augusta Holmès’ Werke, darunter drei Opern ( „Hero und Leander“ wurde bei der Uraufführung als ultra-wagnerianisch abgekanzelt) und mehrere Orchesterwerke, allerdings so gut wie nie. Wenigstens sind ihre sinfonischen Dichtungen mit so gewichtigen Namen wie „Polen“ oder „Irland“ auf CD erhältlich.

Hoffen wir also, am kommenden Freitag ein weiteres chauvinistisches Vorurteil unserer Vorfahren auf den Müllhaufen der Musikgeschichte werfen zu können. Auf nach Kolchis!

Jörg Königsdorf

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