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Pauken und Trompeten: Hausmusik für alle

Jörg Königsdorf geht in einen Salon, wo man beim Kaffee der Sopranistin lauschen und dann mitsingen kann.

Mit dem kultivierten Großbürgertum ging er nach 1945 unter, mit der Rückbesinnung auf diese Tradition hat er in den letzten Jahren wieder eine erstaunliche Renaissance erlebt: der Salon, jene private Plattform für Gedanken, Gedichte und Kompositionen, die fast zwei Jahrhunderte lang der wichtigste Humus deutschen Kulturlebens war. Immer mehr Veranstaltungen schmücken sich mit diesem Etikett. Im Klassikbereich hat die Suche nach neuen Konzertformen dazu geführt, dass sich Künstler und Veranstalter wieder auf den Salon und die Möglichkeiten besonnen haben, die dieser weit gefasste Begriff zulässt.

Ein Salon, das kann manchmal nur eine lockere Reihung von Gedichten, Talkrunden und Musikstücken bedeuten, manchmal aber auch die ganze Konzertsituation in eine ungezwungene Runde auflösen. So wie in Annettes Dasch-Salon im Radialsystem, wo die Besucher erst bei Kaffee und Kuchen mit der Starsopranistin und ihrem Familientross plauschen können und dann mitsingen dürfen. (wieder am 14.6.).

Mit den Salons von ehedem und ihrem elitären Kunstanspruch haben solche Veranstaltungen natürlich nicht mehr viel zu tun. Im Salon von Sara Levy – vor 200 Jahren war das einer der tonangebenden der Stadt – wurde wohl kaum gemeinsam gesungen; stattdessen nutzte die Berliner Bankiersgattin die Zusammenkünfte in ihrem Haus, um die Musik der Bach-Familie, vor allem ihres Lehrers Wilhelm Friedemann, zu propagieren.

Von Levys Leidenschaft, die über ihre Nichten gewissermaßen in die Familie Mendelssohn weitergelangte, zeugt auch ihr Notennachlass, der mit dem Archiv der Singakademie vor einigen Jahren nach Berlin zurückgekehrt ist: Aus dem umfangreichen Bestand hat das US-amerikanische Ensemble Tempesta di mare jetzt eine Auswahl zusammengestellt, das einen guten Einblick in Levys ganz im norddeutschen Sturm und Drang verwurzelten Musikgeschmack gibt: Werke von Carl Philipp, Wilhelm Friedemann und anderen stehen morgen, Montag, in der Mendelssohn-Remise auf dem Programm.

Auch die Matinee am heutigen Sonntag im intimen Curt-Sachs-Saal des Musikinstrumentenmuseums könnte sich Salon nennen – nicht nur, weil das Programm den Neo-Salontypischen Mix aus Texten und Musik aufweist, sondern vor allem, weil das Instrument, das im Zentrum steht, aufgrund seines begrenzten akustischen Radius’ eigentlich nur im Salon überlebensfähig war. Das Wiener Glasharmonika-Duo belebt mit Werken von Mozart und seinen Zeitgenossen jene Sphärenklänge, die für die Menschen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts übersinnlichen Reiz hatten. Als besondere Attraktion wird die 200 Jahre alte Glasharmonika des Museums wieder zum Klingen gebracht.

Jörg Königsdorf

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