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PAUKEN & Trompeten: Jetzt oder nie

Jörg Königsdorf plädiert gegen die Vorverurteilung des Lukullus

Ganz schön mutig von der Komischen Oper, ausgerechnet im notorisch einnahmeschwachen Januar zwei ihrer heikelsten Produktionen anzusetzen: Weder Paul Dessaus „Verurteilung des Lukullus“ noch Glucks „Iphigenie auf Tauris“ können als Kassenknüller gelten, und wer seine Illusionen über die Neugier des Berliner Opernpublikums (sowie der angeblich so kulturhungrigen Touristen) verlieren möchte, braucht sich nur einmal in eine der „Lukullus“-Vorstellungen zu setzen. Etwas frustrierend ist das schon, zumal beide Stücke echtes Musiktheater sind, das auch diejenigen anspricht, die ihren Zugang zur Oper eher von der Sprechbühne aus suchen.

Was immer man gegen Katja Czellniks revuehaft inszenierten „Lukullus“ auch einwenden könnte – der Prozess gegen den legendären Feinschmecker, mit dem Dessau und Brecht das wohl wichtigste Werk der DDR-Musikgeschichte schufen, geht flott über die Bühne, und Dessaus Charakterisierung der Zeugen ist zugleich eine kleine Stilkunde musikalischer Ausdrucksformen vom Brecht- Chanson bis zur Opernarie. Die Vorstellungen am Montag und am nächsten Sonntag dürften vorerst zu den letzten Gelegenheiten gehören, das Stück zu sehen. Wer weiß, ob es kommende Saison eine Wiederaufnahme gibt.

Auch Barry Koskies furiose Inszenierung der „Iphigenie“, die am Samstag wieder auf dem Spielplan steht, wird wohl keine längere Repertoireexistenz beschieden sein. Das ist schon der Musik wegen schade – das Stück ist nicht nur Glucks Meisterwerk, sondern unbestritten eine der großen Opern der Musikgeschichte.

Auf knappstem Raum vereint das Stück alles, was Oper ausmacht: Grandiose Arien wie das berühmte „Divinités du Styx“, eine orchestrale Psychologisierungskunst, ohne die Wagner nicht denkbar wäre, eine schnörkellos klare, von allen kruden Opernverwicklungen freie Handlung mit glaubwürdigen, starken Figuren, was will man mehr? Der einzige Fehler dieses Stücks ist, dass es nicht von Mozart ist. Denn dann wären die Vorstellungen voll.

Jörg Königsdorf

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