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PAUKEN & Trompeten: Kerzen verschmerzen

Ginge es nach der Dynamik der Szene, müsste die Alte Musik nicht zur Klassik, sondern eher zur Popmusik gezählt werden: Kein Jahr, in dem nicht neue Bands auftauchen und neue Trends gesetzt werden. Frankreich zum Beispiel, das dank gezielter Förderungspolitik zum Barockmusik-Boomland geworden ist, begeistert sich gerade für den Versuch, das Musiktheater des 17.

Ginge es nach der Dynamik der Szene, müsste die Alte Musik nicht zur Klassik, sondern eher zur Popmusik gezählt werden: Kein Jahr, in dem nicht neue Bands auftauchen und neue Trends gesetzt werden. Frankreich zum Beispiel, das dank gezielter Förderungspolitik zum Barockmusik-Boomland geworden ist, begeistert sich gerade für den Versuch, das Musiktheater des 17. Jahrhunderts möglichst originalgetreu wiederzubeleben. Und tatsächlich zeigt der DVD-Mitschnitt (alpha) der gefeierten Opera-Comique-Produktion von Jean-Baptiste Lullys „Cadmus et Hermione“, dass die als reines Hörprodukt oft eher langatmige französische Barockoper als theatralisches Spektakel bei Kerzenschein zum stimmungsvollen Gesamtkunstwerk werden kann.

Potsdams Festivalchefin Andrea Palent, die immer am besten weiß, wo die Alte-Musik-Szene gerade besonders spannend ist, hat dem musikalischen Team der Produktion jetzt das Eröffnungskonzert der Musikfestspiele am Freitag in der Friedenskirche anvertraut. Für das Festspielmotto „Sehnsucht nach der Ferne“ haben der Dirigent Vincent Dumestre und sein Ensemble Le Poème harmonique das Programm für eine musikalische Weltreise um 1700 zurechtgeschneidert, natürlich mit Musik von Lully im Zentrum.

Die Musikfestspiele waren auch der Ort, wo man Christina Pluhar erleben konnte, als sie noch kaum einer kannte. Inzwischen ist die Österreicherin mit dem markanten Gruftie-Look die angesagteste Alte-Musik-Bandleaderin und die Pluhar-Alben „Teatro d’amore“ und „Via crucis“ verkaufen sich wie geschnitten Brot. Typisch für den Pluhar-Stil ist einerseits die jazzige Freiheit der Continuogruppe, die das Herz ihres Ensembles „L’arpeggiata“ bildet, andererseits aber auch die Mixtur aus Barock, Volksmusik und Tanz. Davon gibt es auch beim Open-Air-Spektakel am Samstagabend auf den Terrassen der Orangerie Sanssouci reichlich. Versprochen sind unter anderem ein Derwisch, ein Bolero-Virtuose und ein indischer Tempeltänzer. Fehlt eigentlich nur noch ein Schlangenbeschwörer. Mit barockem Originalinstrument.

Jörg Königsdorf

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