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PAUKEN & Trompeten: Klappernde Kastagnetten

Jörg Königsdorf über eine melancholische Zigeunerin

Fragt man Mezzosoprane nach ihrer Traumrolle, bekommt man immer die gleiche Antwort: Carmen natürlich! Während sich Soprane wahlweise nach Wagner, Strauss oder Puccini sehnen, scheint sich für ihre Kolleginnen mit den etwas tieferen Stimmen die ganze Essenz ihres Sängerinnendaseins in der Rolle von Bizets Opernzigeunerin zu verkörpern. Selbst Mezzosopranistinnen wie AnneSophie von Otter oder Marilyn Horne, die auf den ersten Blick nicht unbedingt die physische und vokale Erotik aufbrachten, die man mit einer Carmen verbindet, haben die Kastagnetten klappern lassen. Zuletzt ist die Lettin Elina Garanca, der neue Star am Divenhimmel, in die Stierkampfarena getreten – recht erfolgreich, wie man hört. Da wundert es umso mehr, wenn eine Sängerin fast zwanzig Jahre wartet, ehe sie sich diesen Wunschtraum erfüllt: Erst in diesem Sommer geht Vesselina Kasarova am Zürcher Opernhaus ihre erste Carmen an und man kann sicher sein, dass die Bulgarin sich ein ganz eigenes, tief lotendes Rollenbild zurechtgelegt hat, in dem auch Platz für die dunkle Seite, jenen untergründigen Todestrieb der stolzen Zigeunerin ist. Vielleicht gibt sie am Donnerstag im Konzerthaus nach den Mozart- und Rossini-Arien im offiziellen Teil ihres Programms ja noch eine Kostprobe davon preis. Tatsächlich hat die Besessenheit, mit der alle großen Mezzosopranistinnen an ihren Carmen-Porträts gefeilt haben, ja vor allem dazu geführt, dass diese Opernfigur eine Menge verschiedener Facetten gewonnen hat: Eine Carmen kann eben nicht nur mit herausfordernder Zigarette-im-Mundwinkel-Attitüde ihren José herumkriegen, sondern auch ganz einfach durch unverdorbene Natürlichkeit und sonnigen Wohlklang faszinieren. So jedenfalls machte es Jessye Norman in ihrer Einspielung, und am Ende ihrer Liederabende steht auch heute immer noch oft die berühmte „Habanera“. Das wird wohl auch am Donnerstag nicht anders sein, wenn die Diva noch einmal in der Philharmonie empfängt. Denn vorher werden die Fans sie sowieso nicht von der Bühne lassen.

Jörg Königsdorf

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