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PAUKEN & Trompeten: Leg’ den Taktstock mal beiseite

Sie machen’s fast alle. Kaum ein großer Dirigent, der sich nicht irgendwann auch als Komponist versucht hätte.

Sie machen’s fast alle. Kaum ein großer Dirigent, der sich nicht irgendwann auch als Komponist versucht hätte. Furtwängler, der sich ohnehin eher als Komponist verstand, ist nur das prominenteste Beispiel. Und vermutlich werden irgendwann sogar die Kompositionsübungen des jungen Karajan am Salzburger Mozarteum wieder ausgegraben werden. Auch Pultstars wie Karl Böhm und Otto Klemperer haben Werke hinterlassen, die allerdings fast alle dem Selektionsprozess der Musikgeschichte zum Opfer gefallen sind. Den Grund kann man auf einer vor zwei Jahren bei dem kleinen Label Oehms Classics erschienenen CD erahnen, die mit Bruno Walter, Clemens Krauss und Hans von Bülow drei prominente Beispiele versammelt. Die Musik der komponierenden Dirigenten klingt einfach zu stark nach den Komponisten, als deren Interpreten sie berühmt wurden: Bei Bülow hört man Wagner und Liszt, bei Krauss Richard Strauss und bei Walter natürlich Mahler. Nur eben als substanzarmen Abklatsch der Originale. Als Dirigent und Komponist gleichermaßen anerkannt zu werden, schaffen nur die wenigsten – Mahler, Richard Strauss und Bernstein –, bei den meisten Pultstars bleibt dagegen immer ein Restverdacht, ob sie nicht nur ihren Einfluss als Dirigenten nutzen, um Aufführungen ihrer Werke durchzusetzen. Wer spricht heute noch vom kompositorischen Œuvre Giuseppe Sinopolis? Und mal abwarten, was von den Werken Esa-Pekka Salonens noch gespielt wird, sobald der Maestro den Taktstock beiseite gelegt hat.

Und Oskar Fried? Bei dem 1871 geborenen Mahler-Intimus liegt der Fall vielleicht doch anders – auch wenn Werke wie das 1901 uraufgeführte „Trunkene Lied“ schon vom Titel her den Verdacht starken Mahler-Einflusses nahelegt, war der ehemalige Philharmoniker-Hausdirigent doch zu Lebzeiten als Komponist durchaus erfolgreich. Im Konzerthaus ist man von Frieds Qualitäten jedenfalls so überzeugt, dass man für das erste Abokonzert der Saison nicht nur sein Melodram Die Auswanderer ausgegraben hat, sondern es auch mit einem der ganz großen Werke des 20. Jahrhunderts koppelt. In den drei Konzerten ab Donnerstag unter Ex-Chef Eliahu Inbal muss sich Frieds Stück gegen Schostakowitschs Vierte behaupten. Und wenn das gelingt, war Fried wohl wirklich ein großer Komponist.

Jörg Königsberg

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