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PAUKEN & Trompeten: Lichterkränze aus dem Norden

Gerade noch in Stockholm gewesen, bei einer Konferenz über Musik und Wörter und Ideologie. Was lässt sich auf einer solchen Konferenz bloß besprechen, mag man sich fragen.

Gerade noch in Stockholm gewesen, bei einer Konferenz über Musik und Wörter und Ideologie. Was lässt sich auf einer solchen Konferenz bloß besprechen, mag man sich fragen. Och, zum Beispiel die Art und Weise, wie Leonardo DiCaprio als Hauptdarsteller in „Shutter Island“ in ein Herrenzimmer mit loderndem Kamin tritt, und vom Schallplattenteller her klingt eine zärtlich schöne Kammermusik, Brahms?, fragt jemand, aber es ist Gustav Mahler. Und auf einmal kommt DiCaprio eine erschütternde Szene in einem deutschen Konzentrationslager in den Sinn.

Oder Thomas Bernhards 1983 in Frankfurt am Main erschienener Roman „Der Untergeher“, über drei Pianisten, von denen einer der Erzähler ist, der zweite Glenn Gould sein soll und ein dritter Selbstmord begeht. Bevor das kunst- und künstlerfixierte Buch 1986 auch in der DDR erscheinen konnte, mussten Lektor und Gutachter viele intelligente Erklärungen beibringen, um es durch die Zensur zu bekommen. Oder die amerikanische Deathgrind-Gruppe Cattle Decapitation – mit geröchelten Texten, in denen nicht der Mensch Fleisch, sondern das Vieh den Menschen frisst und ausscheidet, und das über dem Klang von ordentlich geschichteten Harmonien. Täglich fuhr der Bus Nr. 40 uns hinaus von der Innenstadt zum Universitätscampus, zu immer neuen Vorträgen, und täglich schaute ich aus dem Fenster: Asiatische und italienische Restaurants. Dann und wann ein Elchkopf an der Kneipenwand. Klirrende Kälte am Morgen. Schneeregen am frühen Abend. Lichthäuser mit Adventsdeko, in Schweden hat man Erfahrung mit der Dunkelheit. Und da, an der Hantverkargatan! Rotbrauner Backstein, offenbar eine Spezialschule für Musik: „Stockholms Musikgymnasium“. Wie schön, dass ein bisschen Stockholm jetzt auch zu uns nach Berlin kommt: Heute Abend schon, in Vorfreude des Luciafestes am 13. Dezember, das im dunklen Schweden mit Lichterkränzen und Mädchen in Weiß und schönen Liedgesängen begangen wird, tritt tatsächlich der Stockholms Musikgymnasiums Kammarkör auf. Im Berliner Dom singt er unter der Leitung von Helene Stureborg schwedische und deutsche Weihnachtslieder. Aus Stockholm selbst teilen die Konferenzkolleginnen unterdessen mit, dass die Busse zum Campus nur noch unregelmäßig fahren: zu viel Schnee, zu viel Kälte, einfach zu viel Winter.

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