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PAUKEN & Trompeten: Lob der Eigengewächse

Jörg Königsdorf über einen Pionier der Elitenförderung

Bildungspolitisch war Herbert von Karajan seiner Zeit 25 Jahre voraus: 1972, als Deutschlands Studentenschaft gerade sämtliche Autoritäten infrage stellte, dachte der Maestro bereits an Elitenförderung. Unterstützt von Mäzenen rief Karajan die Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker ins Leben, einen Aufbaustudiengang für die besten Musikhochschulabsolventen. Denn die, hatte der Philharmoniker-Chef bemerkt, beherrschten in der Regel ihr Instrument ausgezeichnet, hatten aber nur wenig Ahnung vom Anforderungsprofil des Orchesterspiels. Das Konzept wurde ein durchschlagender Erfolg – von den 550 Stipendiaten, die die Akademie seither durchlaufen haben, landeten die meisten bei Top-Orchestern, und auch der Philharmoniker-Nachwuchs besteht zu einem Viertel aus diesen Eigengewächsen. Dass die aktuellen Stipendiaten Karajan zum 100. ein Geburtstagskonzert widmen, hat daher guten Grund, und die Werkauswahl, die am Samstagnachmittag im Kammermusiksaal auf dem Programm steht, dürfte dem Jubilar gefallen haben: Mit Bruckner, Strauss, Ravel und Wagners „Siegfried-Idyll“ wollen die Akademisten den Gründervater ehren.

Kein Wunder, dass das Beispiel Schule machte, auch weil Orchestermanager das Stipendiatensystem bald als kostengünstigen Aushilfenpool entdeckten – die Grenzen zwischen Förderung und Ausnutzung sind manchmal schwer zu ziehen. Auch das Deutsche Symphonie-Orchester kümmert sich seit 1992 um die Nachwuchspflege: Ein gutes Dutzend Stipendien finanziert die Ferenc-Fricsay-Gesellschaft, die das Andenken an den ersten DSO-Chefdirigenten wachhält. Am Samstagabend können sich die Mäzene davon überzeugen, dass das Geld gut angelegt wurde: Im Curt-Sachs-Saal des Musikinstrumentenmuseums spielen die Aufbaustudenten ein schönes Kammermusikprogramm mit Werken von Dvorak, Jean Francaix und Brahms.

Jörg Königsdorf

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