zum Hauptinhalt

PAUKEN & Trompeten: Lodernde Leuchtfeuer

Frisch gewagt ist halb gewonnen, gut gebügelt ist halb geschneidert, und schlecht gesungen ist immer noch besser als gut gesprochen. Jean Paul jedenfalls fand, dass die „Singstimme in ihrer höchsten Tiefe noch höher als der höchste Sprechton“ steht, und Carl Maria von Weber wunderte sich darüber, dass sogar mittelmäßiger Gesang ihn sofort „ergreift und durchglüht“.

Frisch gewagt ist halb gewonnen, gut gebügelt ist halb geschneidert, und schlecht gesungen ist immer noch besser als gut gesprochen. Jean Paul jedenfalls fand, dass die „Singstimme in ihrer höchsten Tiefe noch höher als der höchste Sprechton“ steht, und Carl Maria von Weber wunderte sich darüber, dass sogar mittelmäßiger Gesang ihn sofort „ergreift und durchglüht“. Am angenehmsten wäre es natürlich, keinen schlechten, sondern guten Gesang zu hören, schließlich „schmeißt eine Stimme, die Gott gemacht hat, ein ganzes Zeughaus von Kunstmitteln nieder“, wie wiederum Carl Friedrich Zelter mit einiger Lakonie notierte.

Diese Woche kommen in Berlin besonders die hohen Stimmen zur Geltung. Und zwar schon heute, wenn anlässlich des Spielzeitfestes der Komischen Oper „für Kinder und deren Familien“ eine Chorprobe zum Mitmachen angesetzt ist und der Klang von hunderten nachtigallenheller Kinderstimmen bis zum Brandenburger Tor dringen wird. Am Montag tritt die Sopranistin Marlis Petersen mit der Akademie für Alte Musik im Konzerthaus auf und singt Georg Philipp Telemanns „Ino“. Die „Ino“ ist offiziell eine „cantata drammatica“, in Wirklichkeit aber wohl eher eine Miniaturoper mit bravourösen Passagen.

Es wird sicher ein eindrücklicher Abend. Petersen gehört zu den herausragenden Interpretinnen im Fach Koloratursopran beziehungsweise „Knabengesang, ohne Knabe zu sein“, sie verfügt über eine Beweglichkeit, die selbst Hochseilartisten ehrfürchtig taumeln lässt, und hat ein Timbre, das wie geschaffen ist für diejenigen, die beim Leuchtfeuer einer hochdramatischen Sopranistin am liebsten gleich Reißaus nehmen wollen. Das Übrige werden die frischen Ideen des zur Zeit der Komposition bereits 84-jährigen Telemann erledigen.

Ehrfurcht werden freilich auch die Damen des RIAS-Kammerchors am Donnerstag im Trafo wecken, dem ehemaligen Heizkraftwerk an der Köpenicker Straße. Zum Beispiel, wenn sie in die Höhen von Gregorio Allegris „Miserere“ hinaufsteigen, eine kurze Komposition, die nicht weiter auffallen würde, wenn sie nicht berüchtigt wäre wegen der Anekdote, nach welcher sie unter Strafandrohung nirgendwo sonst als in der Capella Sistina aufgeführt werden durfte. Nur dem 12-jährigen Mozart soll es gelungen sein, das Stück gleichsam im Kopf aus der Kapelle zu tragen und aus dem Gedächtnis niederzuschreiben.

Das bei Giovanni Allegri mehrfach anzusteuernde hohe C werden die RIAS-Damen noch im Ohr haben von Gustav Mahlers zur Chorkomposition umarrangiertem Sololied „Ich bin der Welt abhanden gekommen“. Ein großes Rätsel, dass dieses Arrangement mit diesen Höhen und Farben arbeitet. Das echte, erste Welt-Abhanden-Sein-Lied von 1901/02 in viel tieferer, dunkel schimmernder Lage ist am selben Tag und fast zeitgleich im Musikinstrumentenmuseum zu hören, wo es die Mezzosopranistin Gerhild Romberger singt, begleitet vom Miroslav Kroupa am Klavier. Daneben geben die beiden Mahlers „Kindertotenlieder“ und die „Lieder eines fahrenden Gesellen“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false