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PAUKEN & Trompeten: Todsünden in den Tropen Von Pilgern und Querulanten

Auftakt der Weill-Woche an der Komischen Oper.

Mit dem Waffengeschäft ist es ganz einfach. Man muss bloß das Gerücht verbreiten, eine Bananenrepublik habe ein stattliches Kontingent bestellt, und man kann sicher sein, dass der tropische Nachbarstaat kaufen wird. Und für die Bezahlung erfindet man zugleich eine „Wohlfahrtssteuer“. Max Hopp gibt mit komödiantischer Verve den gewieften Waffenhändler Felipe Chao, führt auch mit Charme und Chuzpe durch die Handlung von Kurt Weills Operette „Der Kuhhandel“. Und das ist auch bitter nötig. Denn wenn er launig als „Prüfung des Publikums“ das Verständnis des Zusammenhangs von Text und Musik abfragt, liegt bei dieser konzertanten Aufführung zur Eröffnung der Kurt-Weill-Woche der Komischen Oper der Hase im Pfeffer.

Antony Hermus, Weill-Spezialist vom Anhaltischen Theater Dessau, treibt das Orchester zu transparenter Spritzigkeit an, lässt Weills Tango- und Sambarhythmen wie Sektkorken knallen. Doch samtiges Streicherflair und bukolische Holzbläsersoli kann auch er in dieser stumpfen Akustik nicht zaubern. Den Sängern wird sie zum Prüfstein, und es zeigt sich, wer das heikle Wort-Ton-Verhältnis bei Weill begreift und artikulieren kann. Ina Kringelborn und Vincent Wolfsteiner als Hauptpaar Juanita und Juan können es nicht: Zu opernhaft geschwollen liefern sie mehr oder weniger schöne Töne ab, doch kaum den geschärften Spielwitz, durch den Operette erst Spaß macht.

Den liefern die Gauner aus Politik und Waffenlobby – der salbungsvoll zur Harfe seine Politikerehre beschwörende Präsident Mendes (Christoph Späth) und sein Nachfolger General Garcias Conchaz, der skrupellos mal den Krieg, mal den Frieden zum Garanten der Sicherheit ausruft. Daniel Schmutzhard zeichnet einen zynisch- einfältigen Charakter, der trotz Indisposition auch stimmlich überzeugt.

Insgesamt lohnt sich die Begegnung mit einem Stück, das durch die politischen Zeitläufte in die Versenkung geriet. Im Pariser Exil geschrieben, erhielt es für eine Londoner Aufführung ein „Musical-Styling“ und fiel damit durch. Zu entdecken ist eine burleske Story voll durchaus auch aktualisierbarer Anspielungen auf „Führer“ und „Angeführte“, mit einer schwungvollen Musik, die die eigenen Anleihen an den „Sieben Todsünden“ und „Marie Galante“ mit einem kräftigen Schuss Offenbach aufmischt. Genau das Richtige für das Themenjahr „Zerstörte Vielfalt“, dessen pazifistische Appelle der Opernchor als genasführtes Volk mit beachtlicher Präsenz ausspricht (Weill-Woche bis 24.1., Infos: www.komische-oper-berlin.de). Isabel Herzfeld

Wenn es nach der Konferenz in der kommenden Woche geht, ist die Musikwissenschaft als Disziplin top in Schuss. Gut, es wird bei dieser zweitägigen Veranstaltung in Dahlem kaum Werkanalysen geben, also ausgedehnte Betrachtungen eines dieser Betrachtung würdigen Gegenstandes. Wer eine solche Herangehensweise bevorzugt, sollte am Donnerstag die Eisler-Hochschule aufsuchen, wo der Musikwissenschaftler Tobias Janz einen Vortrag über „Klang und Orchestrierung im ‚Ring des Nibelungen’“ halten wird.

Bei der großen Konferenz jedoch, die ab Donnerstag vom Max Planck Institut für Bildungsforschung in Kooperation mit der Uni Konstanz ausgerichtet wird (und die nach Anmeldung Gästen offensteht), dreht sich alles um die „Entstehung und Fragmentierung sozialer Beziehungen durch Musik im 20. Jahrhundert“. Dort diskutiert man über Fragen, die auf das große Reich des nebligen Dazwischen weisen: die Beziehungen zwischen Musikern und Publikum, das Konzert als „Anwesenheitsgesellschaft“ oder das Festival als „Pilgerfahrt und Außeralltäglichkeit“, Querulanten im Konzertsaal und Wagner-Aficionados, Volksgesang und Politik.

Sarah Zalfen (Berlin) beispielsweise hält einen Vortrag über „Musik als gemeinschaftsbildende Praxis auf Parteitagen“, während Uta Poiger (Boston) sich der Frage zuwendet, welche Rolle der Jazz im Deutschland des Kalten Krieges gespielt hat. Alexa Geisthövel (Berlin) überprüft, wie Martin Kippenberger einst Whitney Houston hörte, Claudius Torp (Kassel) spricht über „Koloniale Musikerziehung im Vergleich“, Michael Walter (Graz) fragt nach der Relevanz musikalischer Strukturen für die Funktion von Nationalhymnen und Toru Takenaka (Osaka) denkt mit „Listening to Music Through the Head: A Pattern of Western Music Reception in Modern Japan“ über kulturell bedingte Unterschiede beim Musikhören nach. Kurz, rund zwanzig Vorträge demonstrieren, wie viele Fragen es da draußen gibt, auf die eben nur eine Disziplin wie die Musikwissenschaft angemessene Antworten finden kann.

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