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PAUKEN & Trompeten: Zweiter Erster

Kein Wunder, dass Haochen Zhang auf den Fotos, die ihn bei der Siegerehrung des Van-Cliburn-Wettbewerbs zeigen, etwas säuerlich dreinblickt. Denn es muss für einen 19-Jährigen schon schwer zu verarbeiten sein, wenn er zwar am Ziel seiner Träume anlangt, aber dabei erleben muss, dass ihm die Show gestohlen wird.

Kein Wunder, dass Haochen Zhang auf den Fotos, die ihn bei der Siegerehrung des Van-Cliburn-Wettbewerbs zeigen, etwas säuerlich dreinblickt. Denn es muss für einen 19-Jährigen schon schwer zu verarbeiten sein, wenn er zwar am Ziel seiner Träume anlangt, aber dabei erleben muss, dass ihm die Show gestohlen wird. Denn der berühmteste Klavierwettbewerb der USA hatte im vergangenen Jahr zwei Sieger: Einmal Zhang und dann den von Geburt an blinden Japaner Nobuyuki Tsujii, der deshalb natürlich das Medieninteresse auf sich zog. In Berlin kann man nun nachprüfen, ob die beiden tatsächlich gleich gut Klavier spielen: Zhang und Tsujii sind die ersten Musiker, die der Konzertveranstalter Till Schoneberg in seiner Konzertserie „Neue Namen“ im Otto-Braun-Saal der Staatsbibliothek präsentiert. Zhang ist als erster am Dienstag dran, Tsujii, der inzwischen unter dem massenkompatibleren Namen Nobu vermarktet wird, folgt am 17. Dezember.

Zhang hat neben seiner Goldmedaille noch eine weitere Referenz: Studiert hat er beim amerikanischen Meistermacher Gary Graffman, der auch Lang Lang und die neue Tastenhoffnung der Deutschen Grammophon, Yuja Wang, ausgebildet hat. Der Tag und das Programm für Zhangs Berlin-Debüt sind zudem geschickt gewählt: Am gleichen Abend gibt Rafael Blechacz, vor fünf Jahren Gewinner des Chopin-Wettbewerbs, seinen bereits ausverkauften Chopinabend im Kammermusiksaal, und wer dafür keine Karten mehr bekommen hat, braucht nur über die Straße zu gehen, um sich die vier Chopin-Balladen anhören zu können. Zu beachten ist der frühe Beginn der „Neue Namen“-Reihe um 18.30 Uhr – eine sehr sympathische Idee, die nach dem Konzert sogar noch einen Besuch beim Italiener um die Ecke ermöglicht.

Die ganz andere Frage ist allerdings, ob tatsächlich immer die besten Pianisten auch die Wettbewerbe gewinnen. Beim letzten Warschauer Chopin-Wettbewerb etwa kam es zum Skandal, weil die Jury eine offenbar kreuzbrave Tastendrückerin aufs Podest hievte und musikalisch ausdrucksstärkere Kandidaten auf die Plätze verwies. Die wütenden Proteste gegen diese Entscheidung weit über die Grenzen Polens hinaus zeigen, dass sich das Publikum keine Sieger vorschreiben lässt. Vielleicht ist das ja auch für Zhang ein Trost.

Jörg Königsdorf

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