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Kultur: Pein und Peinlichkeit

Volker Hesse versucht sich in Berlin an Pinter

Das hätte ein großer kleiner Abend werden können. Eine starke Abschiedsstunde für den Regisseur Volker Hesse, dessen Intendanz am Berliner Maxim Gorki Theater unter keinem glücklichen Stern begann, der das Haus demnächst aber wieder erhobenen Hauptes an seinen Nachfolger Armin Petras übergibt. Als letzte Inszenierung des Intendanten also ein kurzes Stück zu einem nochmals unverhofft aktuell gewordenen Thema. Es geht um die Folter. Harold Pinter, der späte Nobelpreisträger, hat vor 20 Jahren „Noch einen Letzten“ („One for the Road“) geschrieben. Drei, vier Szenen, in einem ungenannten (damals von Pinochets Chile inspirierten) Land und Gefängnis handelnd.

Schon der Titel ist ein zynisches Wortspiel: „One for the Road“ meint den letzten Drink im Pub oder am Ende einer Party. Hier gilt das den immer neuen Whiskeys und selbstgefälligen Phrasen eines Verhöroffiziers, der sich in seinem Allmachtsrausch vor einem verhafteten, gequälten Paar und dessen Kind produziert. Mit Phantasien und Selbstrechtfertigungen – das ist die einzige, ungemütliche Raffinesse des Stücks –, die auch ein libertinös liberaler Bürger (und Zuschauer) bisweilen in sich entdecken und verdrängen mag. Dabei bleibt die wahre körperliche Tortur naturgemäß in den Kulissen und spielt nur im Kopf des Betrachters. Pinters perfider Mann quält und tötet allein mit Worten.

Volker Hesses Inszenierung aber quält sich im Gorki-Foyer geradezu hautnah ab: nicht mit dem Peinigenden, nur mit der eigenen Peinlichkeit. Wo Pinters Sadist gerade zwei kleine Finger krümmt, benutzt der Schauspieler Michael Wenninger gleich zwei Flaschen zwischen den Beinen der Frau (Rosa Enskat). Wo es bei Pinter um eine kalte Konfrontation geht, gibt es hier weder situativ noch spielerisch ein Gegenüber. Stattdessen wird hyperventiliert geschrieen und grimassiert, wird sich rumgewälzt, rumgeturnt (eine Affennummer des Verhörers schont nicht mal die Garderobenständer im Rücken der Zuschauer); man manscht und suhlt, zerquetschtes Obst und Fruchtfleisch müssen auf der Frau als Sex- und Säftemasse dienen, danach schlüpft der Vergewaltiger ins besudelte Negligé. Mit dieser verschwitzt gestrigen Theaterei, in der Volker Hesses Intelligenz und Metierbewusstsein nicht mehr zu erkennen sind, will man an etwas rühren, was doch jenseits kunstgewerblicher Nachstellung ist.

Ein Beitrag zur überflüssigen Ekeldebatte? Die hätte mit Blick auf das Theater eher mit Sartres „Ekel“ an Leere, Langeweile und Dummheit als mit Appetitlichkeitsfragen zu tun. Hier indes gab es nur einen Unglücksfall.

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