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Kultur: Perfektion und Exzentrik

Ehrgeizige Studenten, die von einer Pianistenkarriere träumen, seien hiermit ausdrücklich gewarnt: Klavier spielen, so zeigen etliche berühmte Beispiele, ist mit Abstand die gefährlichste Art, Musik zu machen. Während Organisten in der Regel bis ins hohe Alter seelenruhig ihre Register ziehen und Geiger erst dann aufhören müssen, wenn die Finger nicht mehr so recht wollen, rüttelt das Klavierspiel offenbar nachhaltig an der psychischen Stabilität.

Ehrgeizige Studenten, die von einer Pianistenkarriere träumen, seien hiermit ausdrücklich gewarnt: Klavier spielen, so zeigen etliche berühmte Beispiele, ist mit Abstand die gefährlichste Art, Musik zu machen. Während Organisten in der Regel bis ins hohe Alter seelenruhig ihre Register ziehen und Geiger erst dann aufhören müssen, wenn die Finger nicht mehr so recht wollen, rüttelt das Klavierspiel offenbar nachhaltig an der psychischen Stabilität. Horowitz und Glenn Gould reagierten auf diesen Druck mit zeitweisem beziehungsweise völligem Podiumsrückzug, Svjatoslav Richter spielte jahrelang nur unter Drogen, andere wie der Franzose Thierry de Brunhoff zogen sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere in das lebenslange Schweigen eines Klosters zurück.

Auch Ivo Pogorelich gehört zu diesen Zweiflern, deren psychische Konstitution von Jahr zu Jahr fragiler wird. Seine letzten Berliner Klavierabende kündeten auf – wenngleich faszinierende – Weise von diesem Prozess, Werke wie Rachmaninows zweite Klaviersonate lösten sich in durchleuchtete Einzelakkorde auf. Seinen für Samstag (19 Uhr 30) vorgesehenen Auftritt mit dem Orchester der Deutschen Oper hat Pogorelich nun abgesagt. Statt seiner spielt der 29-jährige Alexej Volodin Prokofjews drittes Klavierkonzert.

Umso erstaunlicher ist es, wie unangekränkelt Mikhail Pletnev seit dreißig Jahren die Balance zwischen Perfektion, Individualität und Exzentrik durchhält. Tatsächlich scheint die genialische Willkür seiner Interpretationen weder zu- noch abzunehmen. In seinem letzten Mozartalbum wird jede Note auf die Goldwaage gelegt, jedes Tempo in Frage gestellt. Bei seinem Auftritt am Dienstag (20 Uhr) im Kammermusiksaal stehen zwei Mozart-Sonaten auf dem Programm, gekoppelt mit Tschaikowskys „Jahreszeiten“.

Jörg Königsdorf

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