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Temporärer Ausstellungsbau des Pergamonmuseums

© spreeformat

Museumsinsel in Berlin: Pergamonmuseum erhält ein Ausweichquartier

Endlich mal eine kleine frohe Kunde vom Pergamonmuseum – während der Renovierung sollen in einem temporären Neubau Teile des Pergamonaltars zu sehen sein.

Nach den jüngsten Schreckensbotschaften vom Pergamonmuseum – der Kostenexplosion auf 477 statt 261 Millionen Euro, der Bauverzögerung um vier Jahre, dazu die von Kulturstaatsministerin Monika Grütters angeregte Streichung des vierten Flügels – eine kleine frohe Kunde vom Flaggschiff der Museumsinsel. Nachdem der Altar als namensgebendes Ausstellungsstück bis 2023 der Öffentlichkeit entzogen bleiben dürfte, soll auf dem Gelände gegenüber, auf der anderen Seite des Kupfergrabens, ein temporärer Neubau entstehen, eine Art Ausweichquartier, um dem Publikum zumindest etwas Pergamon zu bieten.

In der bewusst schmucklosen Kiste werden Teile des berühmten Altars im Original zu sehen sein: der Telephosfries, die Ehrenstatuen der Könige und Königinnen sowie die Dachfiguren des Altars, darunter Poseidon mit den beiden Tritonen. Außerdem erhält das erstmals 2011 zur „Pergamon“-Ausstellung errichtete Panorama von Yadegar Asisi eine zweite Auflage. Wieder wird der Besucher den Burgberg erklimmen, diesmal komfortabel per Lift und nicht über Leitern und Eisengitter, um von oben bei wechselndem Tageslicht die antike Stadt bestaunen zu können.

Über die Tickets sollen Kosten hereingespielt werden

Auch dieses Projekt braucht mehr Zeit als geplant. Im Frühjahr 2018 soll der Außenborder des Pergamonmuseums nach 14-monatiger Bauzeit eröffnet werden. Mit der Stuttgarter Wolff Gruppe Holding GmbH ist im zweiten Anlauf, im Zuge einer nunmehr europaweiten Ausschreibung ein Partner gefunden worden, der das 17 Millionen Euro teure Gebäude der Stiftung Preußischer Kulturbesitz kostenneutral hinstellen will.

Dem hessischen Finanzier ist dieses Kunststück schon einmal mit dem neuen Folkwang Museums in Essen gelungen, nun soll er es in Berlin erneut vorführen, da der Stiftungsrat nur bei bleibenden, nicht bei temporären Bauten seine Schatulle öffnet. Öffentliche Gelder stehen damit nicht zur Verfügung

Über die Tickets sollen die Kosten wieder hereingespielt werden. Statt 12 Euro wird die Karte in Zukunft 19 Euro, ermäßigt 9,50 Euro kosten. Der freie Eintritt, der mit dem Humboldt-Forum neue Nahrung fand, bleibt damit bis auf weiteres Illusion. Auf die Einnahmen von 24 Millionen Euro jährlich bei allen Museen kann die Stiftung nicht verzichten. Wer also bereit ist, für das Pergamonmuseum künftig mehr zu zahlen, der kann sowohl die noch zugänglichen Trakte des Stammhauses als auch den externen Showroom inklusive Rotunde besichtigen. Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung bestätigt, dass die Rechnung aufgehen kann. Der Wolff-Gruppe fließen die Einnahmen bis zur schwarzen Null zu, dann verdient die Stiftung wieder an dem Projekt, für das sie Exponate, Namen, Manpower zur Verfügung stellt – ein heikles Unternehmen.

Café mit prächtigem Ausblick zur Museumsinsel

Der Generaldirektor der Staatlichen Museen, Michael Eissenhauer, gibt unmissverständlich zu verstehen, dass ihm nicht ganz wohl ist bei diesem Modell, das auf keinen Fall Schule machen dürfe, wie er sagt. Schließlich profitiert ein Wirtschaftsunternehmen von diesem Outsourcing eigener Bestände. Doch habe man einen Bildungsauftrag zu erfüllen, so Eissenhauer, den Besuchern dürfe Pergamon nicht auf Jahre entzogen bleiben. „Diese Gratwanderung ist nur damit zu rechtfertigen, dass es ein klares zeitliches Ende für das Junktim gibt,“ sagte er am Mittwoch am Rande der Pressekonferenz, bei der Stiftungspräsident Hermann Parzinger zusammen mit dem Direktor der Antikensammlung, Andreas Scholl, dem Unternehmer Klaus Wolff und dem Architekten Sebastian Steffin das Projekt vorstellte.

Bis zu 15 Jahre soll der anthrazitfarbene, 115 Meter lange Kubus aus Fertigteilen an seinem Platz stehen, dessen markanteste Bauform der 32 Meter hohe Zylinder des Panoramas in der Computeranimation goldglänzend dargestellt ist. Neben den Schaustücken im Inneren, den Gipsabgüssen, Marmorskulpturen aus hellenistischer Zeit, Originalreliefs sowie 3-D-Animationen, wird den Besucher außerdem ein Café locken mit einem prächtigen Ausblick rüber zur Museumsinsel, genauer: zum Bodemuseum. Wäre die S-Bahnstrecke nicht im Wege, könnte er noch weiter zum Pergamonmuseum sehen und von dort vielleicht sogar hören, wie die Riesenbaustelle voranschreitet – ob es überhaupt weitergeht.

Pergamonmuseum bleibt Problemkind

Nach dem Dämpfer durch die vierjährige Verzögerung und die enormen Kostensteigerungen ist der zweite Bauabschnitt auf Eis gelegt. Erst 2020/21 werden die Planungen wieder aufgenommen, wenn nicht komplett über den Haufen geworfen. Mit Unverständnis reagiert Eissenhauer auf den Vorschlag der Kulturstaatsministerin, den vierten Flügel des Museums aus Kostenersparnisgründen zu streichen.

Dies würde den Masterplan für die Museumsinsel ad absurdum führen, so Eissenhauer. Schließlich sollte dieser letzte Bauteil alles miteinander verbinden, die Gebäude entlang der archäologischen Promenade zusammenführen – beginnend mit dem gerade entstehenden Eingangstrakt für die gesamte Museumsinsel, der James–Simon-Galerie. Allerdings kann sich Eissenhauer vorstellen, dass der Entwurf des Kölner Architekten Ungers noch einmal überdacht und womöglich ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben wird. Das Pergamonmuseum bleibt also auch in Zukunft das größte Problemkind der Staatlichen Museen.

2011 1,5 Millionen Besucher bei der "Pergamon"-Ausstellung

Dabei haben die Kümmernisse auch ihre guten Seiten. Selbst nach der Schließung von zwei Dritteln des Hauses und einem Verlust um die Hälfte der Besucher steht das Museum immer noch hoch in der Publikumsgunst. Nach wie vor kommen 700 000 Besucher jährlich, mehr als die verbleibenden Säle fassen können. Nicht zuletzt diese Bedrängnis sorgte dafür, dass die kleine Lösung, der Neubau, auf der anderen Seite des Kupfergrabens Form annahm.

Hier soll ein Teil des Publikums abgefangen und an den Erfolg der „Pergamon“-Ausstellung von 2011 angeknüpft werden. Damals kamen 1,5 Millionen Besucher, ein bislang unübertroffener Rekord. Zu den besonderen Attraktionen hatte damals zweifellos das monumentale 360 Grad-Panorama im Ehrenhof des Museums gehört. Eine der eindrücklichsten Erinnerungen war das beständig hörbare Schlagen auf Stein, der Pergamonaltar war schließlich schon in der Antike eine Dauerbaustelle gewesen.

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