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Peter F. Raddatz: Ein Generaldirektor mit fünf Chefs

Meister des Machbaren: eine Begegnung mit Peter F. Raddatz, Leiter der Berliner Opernstiftung.

301,5 Millionen Euro. Eine beachtliche Summe, die da gerade in die Berliner Opernhäuser investiert wird. 240 Millionen Euro für die Sanierung der Staatsoper, 25 Millionen Euro für die Herrichtung des Schillertheaters als Ausweichspielstätte der Barenboim-Truppe, 25 Millionen Euro für den Umbau der ehemaligen Druckerei des „Neuen Deutschland“ zur Werkstättenzentrale, 4,6 Millionen Euro für das künftige Domizil des Staatsballets in der Deutschen Oper, 6,9 Millionen Euro für die Erneuerung der dortigen Bühne. Gelder, die teilweise vom Bund kommen, teilweise gegenfinanziert werden durch Verkäufe landeseigener Immobilien – alles wohlgemerkt zusätzlich zu den 123,4 Millionen Euro, die der laufende Betrieb der Musiktheater pro Jahr ohnehin schon verschlingt.

Seit vergangenem September wacht Peter F. Raddatz über diese superben Summen. Als Generaldirektor der Stiftung „Oper in Berlin“ hat der 56-Jährige allerdings keine Allmacht über den Etat. Als die Stiftung vor sechs Jahren aus der Not geboren wurde, entschied die Politik, dass der Generaldirektor – analog zum Jobprofil des Bundespräsidenten – vor allem repräsentative und beaufsichtigende Funktionen haben soll. Statt mit einer Bundeskanzlerin hat es Peter F. Raddatz allerdings gleich mit fünf Regierungschefs zu tun, die auf ihre Autonomie pochen: nämlich den Intendanten der drei Opern, Ballettchef Vladimir Malakhov sowie dem Leiter des Bühnenservice.

Raddatz ist ein Mann, der mit dieser Rolle gut zurechtkommt. Besser auf jeden Fall als seine Vorgänger. Michael Schindhelm, der erste Generaldirektor, wollte auch künstlerischer Vordenker der hauptstädtischen Opernszene sein – und scheiterte. Sein Nachfolger Stefan Rosinski sah sich vor allem als Chefdramaturg – und hat diese Position jetzt an der Volksbühne inne. Peter F. Raddatz liebt zwar die Bühne, aber aus der Perspektive des kundigen Laien. Sein erstes Theatererlebnis hatte er als 15-Jähriger bei einer Schulexkursion. Während der Aufführung verhielt sich die Klasse derart undiszipliniert, dass der Vorhang zuging und einer der Schauspieler an die Rampe trat, um die Halbwüchsigen zur Ruhe zu bringen. Wie der Mime aus seiner Rolle heraustrat und plötzlich mit ganz anderer Stimme sprach, beeindruckte Raddatz so sehr, dass er der Magie des Schauspiels verfiel.

Nach dem Betriebswirtschaftsstudium ergatterte Raddatz 1981 eine Stelle im Bundesfinanzministerium. Bald allerdings bewarb er sich als Verwaltungsdirektor beim Theater Wilhelmshaven, wurde angenommen und reichte die Kündigung ein. Sein Vorgesetzter war wie vom Donner gerührt: Jemand, der freiwillig eine Lebensstellung im gemütlichen Bonn aufgeben wollte, noch dazu für einen Kulturjob, das war ihm noch nie untergekommen! Vier Jahre kümmerte Raddatz sich an der „Landesbühne Niedersachsen Nord“ ums Finanzielle, bis ihm 1989 der Sprung zurück in seine Heimatstadt Hamburg gelang, ans Deutsche Schauspielhaus, wo er die goldenen Zeiten unter Frank Baumbauer miterlebte.

In den vergangenen acht Jahren half Raddatz als Geschäftsführer, die Kölner Oper durch schwierige Zeiten zu manövrieren, in der letzten Saison sogar als kommissarischer Intendant. Kein Wunder, dass ihn das Angebot aus Berlin reizte: Statt sich weiterhin am Rhein im Tagesgeschäft aufzureiben, sollte er als Opernstiftungschef vor allem strategisch denken dürfen. Als er dann zum ersten Mal seine generaldirektoralen Räumlichkeiten in der Hauptstadt in Augenschein nahm, hat Raddatz dann allerdings „schon einen Schreck bekommen“: Das Verwaltungsgebäude der Komischen Oper Unter den Linden 41, in dem auch die Stiftung beheimatet ist, bietet nämlich noch alten DDR-Standard, wie man ihn eigentlich nur noch in Bühnenbildern von Anna Viehbrock kennt. Doch weil er ein pflichtbewusster Charakter ist, schickte er sich dann doch drein, hängte im Plattenbau- Büro seine eigenen Bilder auf – und macht sich daran, all jene unsexy Aufgaben abzuarbeiten, die ihm seine Vorgänger unerledigt hinterlassen haben.

Damit ein Maximum der staatlichen Subventionen auf der Bühne ankommen, denkt er lieber über Optimierungsmöglichkeiten der Arbeitsabläufe nach, als eigenen künstlerischen Visionen nachzujagen. Sicher, er muss dafür Sorge tragen, dass die Häuser ihre Spielpläne absprechen – dreinreden aber würde er ihnen niemals, wenn es um die Wahl eines Stückes oder eines Inszenierungsteams geht.

Selbstverständlich hat er keinen Chauffeur, sondern fährt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln: „Wer nach unten sparen will, muss oben anfangen.“ Mit seinen fünf Mitarbeitern kann er allerdings nur Konzepte entwickeln, für die Umsetzung bleibt er auf das Engagement aus den Häuser angewiesen. Zum Beispiel wenn es darum geht, Systeme der Buchführung und Computernetzwerke innerhalb der Stiftung zu vereinheitlichen. Besonders am Herzen liegt Raddatz die gemeinsame überregionale Vermarktung der Berliner Musiktheatervielfalt. Und er will ein ganz heißes Eisen anfassen: das koordinierte Vertriebssystem. Was bedeutet, dass man künftig an der Kasse der Komischen Oper auch Eintrittskarten für Aufführungen der Deutschen Oper kaufen können soll und umgekehrt.

Davor haben die Häuser natürlich Angst: Weil die Politiker nur auf die Prozente der Platzauslastung starren, möchten sie es den Konkurrenten ungern erleichtern, ihre Tickets unters Volk zu bringen. Aus seiner Vogelperspektive ist Raddatz dagegen davon überzeugt, dass sich so die Gesamtauslastung steigern lässt. Er kann sich sogar ein gemeinsames Abo für alle drei Opern vorstellen.

Relativ nervenaufreibend dürften die Tarifverhandlungen für das nichtkünstlerische Personal werden. Und dann sind da ja auch noch die unzähligen Ausschüsse, in denen die diversen Baumaßnahmen der Stiftung besprochen werden müssen. Um es in Abwandlung von Karl Valentins berühmtem Kunst-Zitat zu sagen: Geld ist schön, macht aber viel Arbeit.

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