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Kultur: Peter Fitz: Unser Stellvertreter, der weiße Unglücksrabe

Oft war er nur der Unscheinbare unter den großen Spielern seiner Zeit. Also unserer Zeit.

Oft war er nur der Unscheinbare unter den großen Spielern seiner Zeit. Also unserer Zeit. Peter Fitz kommt von Statur und Habitus tatsächlich aus der Gegenwart. Ohne darum je ein Zeitgeistpipifax zu sein. Der Berliner Schauspieler Peter Fitz, der wie fast alle Hauptkünstler in einer Nebenstadt geboren wurde (in Kaiserslautern), ist einfach kein Typ für Legenden, Mythen, auratisches Klassikergedöns. Natürlich kann er als höchst präziser, kluger Akteur mit Bravour auch einen Shakespeare-Melancholiker oder Kleistschen Offizier darstellen. Das hat er bei Peter Stein seit 1970 getan und war als Gründungsmitglied der Berliner Schaubühne auch bei Klaus Michael Grübers grandiosen "Bakchen", beim "Hamlet" und 1982 als fast verstummter, doch sinister diabolischer Mephisto in Grüber / Minettis Jahrhundert-"Faust" dabei.

Trotzdem macht Peter Fitz, den wir heute zu seinem 70. Geburtstag rühmen, selbst in seinen Klassiker-Rollen jederzeit bewusst, dass dort oben auf der Bühne auch unser Zeitgenosse, vielleicht gar Stellvertreter steht. Fitz gebraucht dazu allerdings keine aktualisierenden Mätzchen und keine distanzierenden Fingerzeige, keine Brechtschen Verfremdungseffekte. Es ist vielmehr die jederzeit spürbare zivile Gefasstheit, eine Basis der bürgerlichen Manier und Vernunft, von der Peter Fitz aufbricht - von der er auch ausbricht. Am tollsten war das zu erleben, als er vor zwei Jahrzehnten an der Schaubühne Ernst Jandls dichterisches Selbstportrait "Aus der Fremde" uraufführte: Wort für Wort und Satz für Satz ein Leben im Konjunktiv. Und dieses theatergeschichtliche Unikum einer genialisch verschobenen dramatischen Grammatik verwandelte Fitz in einen noch heute unglaublichen, unvergesslichen Sprach- und Gliederreigen: der Körper ein tanzender Korkenzieher, die Zunge eine Mischung aus Schraubstock und Kneifzange - so wurde das Abbild eines Poeten und Trinkers, eines hypochondrischen Intellektuellen und depressiven Komikers (nein: eines komisch Depressiven) doch noch in mythische Höhen getrieben. Auf den Everest unseres alltäglichen Wahnsinns. Hätten wir einen Woody Allen, dann wäre Peter Fitz wohl sein Freund, als weißgrauer Unglückrabe, als Stadtneurotiker mit dem Buster-Keatonhaften Pokerface. Mit einer bürgerlich eleganten Haltungsmaske, unter der freilich ein komödiantischer Vulkan spukt. Und manchmal spuckt. So hat er auch den modernsten Woyzeck gespielt: Büchners proletarischen Untergeher als philosophisches Irrlicht. Oder Botho-Strauß-Facetten und zuletzt in Peter Zadeks gefeiertem Wiener "Rosmersholm" einen Reaktionär mit sympathischer Raffinesse. Im Film, bei Chabrol und Louis Malle, oder im Fernsehen ist er ein seltener, doch immer auffälliger Gast. Wie am Berliner Ensemble. So gebührt ihm: eine standing invitation.

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