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Kultur: Pfingsten: Der Heilsbringer

Pfingsten, ein geheimnisvolles Fest! Und kein Ritual wie zu Weihnachten, um die Ausschüttung des Heiligen Geistes zu feiern.

Pfingsten, ein geheimnisvolles Fest! Und kein Ritual wie zu Weihnachten, um die Ausschüttung des Heiligen Geistes zu feiern. Dabei ist Pfingsten aktueller denn je, kommt doch aus dem Ruhrgebiet frohe Kunde vom Wirken des Geistigen unter uns. Warum von dort? Ist nicht Berlin unser neues Jerusalem? Der Herr aber spricht: "Es gibt Letzte, die werden Erste sein" (Lk. 13,30). Tief im Westen nämlich haben bescheidene Arbeiter den Weinberg des Strukturwandels bestellt, haben aus Kohle wieder Bäume und aus Halden Erlebnisparks gemacht, doch die Metropolen-Pharisäer hörten nicht auf, sie gering zu schätzen. Und während die Jünger von Emscher und Ruhr allmählich zweifelten (Lk. 24,14), hatte Gottvater Clement ein Einsehen und sandte Gerard Mortier.

Und Mortier verkündete die Triennale: Gemäß dem Trinitätsprinzip (Matth. 28,19) solle ein Festival werden an der Ruhr, so groß von Herrlichkeit und reich an Millionen, dass alle Welt erblasse, vor allem aber das gomorrhische Berlin in seinem Milliardenloch. Seitdem ist Wunderbares geschehen: Zwar wird bis zur Triennale noch lange Zeit vergehen und kennt niemand ihre wahre Gestalt, doch jeder Gläubige hört Seine Botschaft: "Es wird weder ein Festival sein noch ein Event, sondern ein Ereignis von nie gesehener Eigenschaft" (Mort. 5,20). Stets verbreitet der Salvator ein Leuchten um sich (Jes. 60,1), dass aller Zweifel verstummt. Selbst Landesvater Clements Sorgenmiene erhellt sich beim Namen Mortier (Matth. 3,17). Zeichen und Wunder geschehen. Wie Manna regnen nun 30 bis 40 Triennale-Millionen jährlich über das durstende Revier. Aus dem Nichts sind mit einmal 50 Millionen da, mit denen die Bochumer Jahrhunderthalle zum Superkonzerthaus umgebaut wird, eine Kathedrale für die Ankunft Mortiers. Mortiers Weissagungen sind wenige, und nur wenige können sie verstehen, doch er führt die Namen der Propheten im Munde, Marthaler, Schlingensief, David Lynch, Mnouchkine. Nun erwartet das Ruhrgebiet Mortiers Wiederkunft in der Herrlichkeit der Triennale 2003: "Nur noch eine kurze Zeit, so werdet ihr mich sehen" (Joh. 16,16). Wer die Heilsgeschichte kennt, weiß aber, dass es so nicht geht und des Erlösers Ankunft unbestimmt bleibt; vielleicht Gottes bester Trick.

So werden es die Ruhries den Urchristen gleich tun: Sie glauben und warten, und in der Zwischenzeit errichten sie statt vieler Kirchtürmchen eine mächtige Kirche der Kultur. Sie werden statt vier geplanter Konzertsäle einen einzigen bauen, den besten der Welt. Werden das eine und andere Theater zusammenlegen und Wien und Berlin in die Schranken weisen. Denn der Glaube ist es, der Berge versetzt (Matth. 17,20).

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