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Das Quartett: Primgeiger Daniel Stabrawa, Bratscher Neithard Resa, Cellist Dietmar Schwalke und Geiger Christian Stadelmann (v.l.)

© Stefan Röhl

Philharmonia-Quartett im Kammermusiksaal: Hüpfen, huschen, seufzen

Beethoven mal behutsam: das Philharmonia-Quartett im Kammermusiksaal.

Beethoven? Geht auch ganz anders. Es ist, als wollten diese vier Berliner Philharmoniker nach dem Symphonien-Marathon unter Simon Rattle eine höflich-behutsame Gegenrede halten. Nach dem harschen, unversöhnten Idealisten konzentrieren sie sich beim späten B-Dur-Streichquartett samt Großer Fuge auf die introvertierte Seite des Titanen. Ausgerechnet mit op. 130 und op. 133! Nicht die Fuge mit ihrem in Oktaven und Septimen gewaltsam ausschreitenden Thema, nicht die zerklüfteten Partien dieses monströsen Finalsatzes geraten zum Höhepunkt des Abends mit dem Philharmonia Quartett – der Fugen-Anfang verrutscht ihnen sogar. Sondern die spukhaften, selbstvergessenen, sich verlierenden Passagen des Werks: die stockenden Alleingänge im Kopfsatz, die wie Halloween-Gestalten vorüberhuschenden Figuren des Pianissimo-Scherzos, die aparten Auftakt-Hüpfer des Andante und vor allem die Andacht der Cavatina. Lange Liegetöne, keine Bewegung, Beethoven als Vorfahre von Arvo Pärt.

Kaum dass Philharmoniker-Konzertmeister Daniel Stabrawa sich je über seine Kollegen erhebt. Hier spielt keiner sich auf, nicht einmal die Bratsche von Neithard Resa, die schon in Schostakowitschs b-Moll-Streichquartett op. 138 mit eröffnenden, warm timbrierten Soli den Ton angibt, sich jedoch im Nu ins Kollektiv fügt. Christian Stadelmann als zweiter Geiger, Dietmar Schwalkes Cello, ein jeder begleitet den anderen, stellt sich in den Dienst eines einschmeichelnden, verhaltenen Mischklangs, dem es allerdings an Spannung fehlt. Den trauerbetäubten Meditationen, Seufzermotiven und feinen Sekunddissonanzen von Schostakowitsch steht das gut zu Gesicht. Aber schon die lebhaften Einschübe zum nachdenklichen ersten Beethoven-Thema werden Lügen gestraft. Veredelte Sforzati, bitte keine Hässlichkeiten und schon gar keine Kontraste: So driftet op. 130 in flache Gewässer, in die Unverbindlichkeit.

Das von Beethoven auf Wunsch seines Verlags nachkomponierte gefälligere Rondo-Finale liegt dem Philharmonia Quartett da schon mehr. Sie fügen den Ersatz-Schlusssatz hinzu, gewissermaßen als im Programm ausgedruckte Zugabe, wie Stadelmann eingangs im ausverkauften Kammermusiksaal verrät: ein federleichter Kehraus, dessen Umschlag ins Expressive das Ensemble elegant abfedert. Eine Labsal auch die eigentliche Zugabe, der dritte Satz, „Lento assai“ aus op. 135, der dem berühmten „Muss es sein?“-Quartettfinale vorausgeht: Nachtgesang für krisengeplagte Seelen.

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