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Abschied von Berlin. Philipp Demandt in seinem angestammten Haus, der Alten Nationalgalerie.

© Thilo Rückeis

Philipp Demandt im Porträt: Einfühlung ist alles

Von der Alten Nationalgalerie an der Spree zum Museumsufer am Main: Philipp Demandt wird Direktor der Schirn Kunsthalle in Frankfurt. Eine Begegnung.

Es ist ein Amt, das nach einem Diplomaten und Impresario zugleich verlangt. Erst schien es, Max Hollein, der umtriebige Museumsdirektor in Frankfurt, sei nicht zu ersetzen. Dann war sein Nachfolger doch schnell gefunden. Philipp Demandt, der Leiter der Alten Nationalgalerie in Berlin, wird ab Oktober alle drei Frankfurter Museen von Hollein übernehmen – das Städel Museum, das Liebieghaus sowie die Schirn Kunsthalle. Damit bekleidet Demandt einen der wichtigsten, aber auch kompliziertesten Posten in der deutschen Museumslandschaft.

In Berlin hat Demandt in seiner knapp fünfjährigen Amtszeit die Alte Nationalgalerie behutsam aufgemischt. Gleich mit der ersten Ausstellung bewies er Humor und Eigensinn. Die Schau mit den Tierplastiken des italienischen Bildhauers Rembrandt Bugatti hätte auch gründlich schiefgehen können. Dackel, Elefanten und Antilopen bevölkerten das Museum. Dazu kam die schillernde Biografie des Künstlers. Hätte sich die Ausstellung populistisch ans Publikum angebiedert, sie wäre gescheitert. Stattdessen präsentierte Philipp Demandt die quirligen Bronzen mit ästhetischer Präzision.

Mit Rembrandt Bugatti zog Bewegung in die Alte Nationalgalerie ein. Nicht nur die kraftvoller Tierkörper. Auch das Publikum lief um die Plastiken herum. Das änderte den Blick auf die Gemälde an der Wand. Bei dieser Ausstellung habe er gelernt, sagt Demandt, freier mit der Skulptur umzugehen. „Ich habe grundsätzlich im Haus Skulptur von den Wänden abgerückt und in die Räume reingebracht.“

Demandt stammt aus einer Historikerfamilie

Ihm sei die Balance wichtig, zwischen Sonderausstellung und Bestand, betont der 45-jährige Kunsthistoriker. „ImEx“, die Schau zu den Überschneidungen von Impressionismus und Expressionismus, erzielte Besucherrekorde. Gleichzeitig wurde die Dauerausstellung neu geordnet und um rund hundert Werke ergänzt. Die Präsentation der Sammlung lässt Entwicklungen und Dialoge deutlich werden. Im „Franzosen-Saal“ ergeben sich fließende Übergänge von Landschaft zu Stadt, von innen zu außen, von Monet zu Manet. Skizzen und unvollendete Arbeiten ergänzen die Meisterwerke.

Philipp Demandt, Jahrgang 1971, stammt aus einer Historikerfamilie. Sein Vater lehrte Alte Geschichte an der Freien Universität. Sein Großvater war Landeshistoriker in Hessen. Schon während des Studiums begeisterte sich Demandt für Skulpturen des 19. Jahrhunderts. Das Thema seiner Magister- und Doktorarbeit, „Luisenkult – die Unsterblichkeit der Königin von Preußen“, handelt eigentlich von der Wirkkraft der Bildhauer Christian Daniel Rauch und Johann Gottfried Schadow. Nach einer Assistenz am Bröhan-Museum wurde er Referent in der Kulturstiftung der Länder und beriet Museen bei ihren Neuerwerbungen.

An der Alten Nationalgalerie schöpfte Demandt aus den Beständen. Als Verantwortlicher für die Skulpturen holte er Erich Hösels „Hunne zu Pferd“ in den Kolonnadenhof. Im Erdgeschoss konterkariert ein Uhu des Holzbildhauers Anton Puchegger ein Porträt des Kaisers. Pucheggers Holzplastik der Schimpansin Missie, die lange in der Villa des Zoodirektors stand, thront jetzt im Treppenhaus der Alten Nationalgalerie über dem marmornen Dornauszieher von Gustav Eberlein. Demandt begeistert sich an den tektonischen Raffinessen der beiden Figuren, der kunstvollen Koordination von Armen und Beinen, den Aufbruchsignalen in der Tierplastik um 1900. „Das ist eine Generation, die sucht nach völlig neuen Formen und Bewegungen und Farben und Geräuschen, und das findet sie in den Zoologischen Gärten.“

"Wer von etwas begeistert ist, steckt auch andere damit an"

Allerdings offenbart die Dauerausstellung auch den Restaurierungsbedarf des Bestandes. Eines der ersten Vorhaben seiner Amtszeit vollendete der scheidende Direktor noch, die Restaurierung der berühmtesten Gemälde der Sammlung: „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“ von Caspar David Friedrich. Aus dem Projekt entstand eine spannende Schau über das Handwerk der Restauratoren. Im Zentrum glänzten die vom Schlick befreiten Bilder.

Die Restaurierung konnte nur mit Sponsoren realisiert werden. Demandt gewann Berthold Beitz, den damaligen Vorsitzenden der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. „Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man selbst von etwas begeistert ist, steckt man damit auch andere an“, meint Demandt über seine Strategie, Sponsoren zu werben.

In Zukunft dürfte der Kontakt zu Geldgebern noch wichtiger werden. Die Frankfurter Museen bieten nicht nur kunstgeschichtlich ein breites Spektrum. Die Sammlung des gerade erweiterten Städel Museums umfasst Werke vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Der studierte Betriebswirt Max Hollein hinterlässt auch ein variantenreiches Geflecht aus privater und öffentlicher Finanzierung.

Die knalligen Wechselausstellungen der Schirn Kunsthalle wurden nur zur Hälfte aus dem städtischen Etat bezahlt, die andere erbrachten Sponsoren und Eintrittsgelder. Das Städel Museum wird ohnehin von einer Stiftung getragen, die fünf Administratoren verwalten. Die Mitglieder des Städelkomitees des 21. Jahrhunderts ermöglichen den Ankauf von zeitgenössischer Kunst für die Sammlung. Der Museumsdirektor muss gut in der Frankfurter Bürgerschaft vernetzt sein.

Bisher hat sich Philipp Demandt von hohen Erwartungen nicht aus der Ruhe bringen lassen. Gut möglich, dass er in Frankfurt an seiner Berliner Strategie festhält: „Sie können nicht ein Museum übernehmen und sagen, hoppla, hier komme ich, jetzt mache ich mal alles neu. Sondern man muss sich lange reinfühlen.“

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