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Cover des Buches

© Promo

Philippe Jaccottet: Gipfel der Poesie

Philippe Jaccottet arbeitet nicht mit „rhetorischen Figuren, Metaphern, Verzierungen“. In seiner Poesie geht es um Aussagen über die einfachsten Dinge.

Im Juni ist Philippe Jaccottet 90 Jahre alt geworden. Schon zu Lebzeiten ist der in der Romandie geborene Dichter ein Klassiker der französischsprachigen Poesie. Als Übersetzer brachte er Hölderlin, Rilke, Leopardi, Ungaretti, Musil oder Mandelstam ins Französische, Autoren, die nicht zuletzt für Jaccottes poetisches Selbstverständnis wichtig sind. „Sonnenflecken, Schattenflecken“, der neue Auswahlband aus seinen Journalen, ist auch ein Zwiegespräch mit diesen geistesverwandten Dichtern und mit der Natur – ein Dialog, dem stets etwas Tastendes vorausgeht und ein sanftes Unbehagen eingeschrieben bleibt. „Aber werde ich irgendetwas begreifen, das eine oder andere Mal? Bevor ich das Buch schließe, das man nie aufmerksam genug liest?“

Durch den zweifelnden, nie aber verzweifelten Blick liest Jaccottet im Lebensbuch. In seinen verdichteten Beobachtungen verharrt er im Konkreten und transzendiert es zugleich in seiner aufmerksamen, aufmerksam machenden Sprache. Formale poetische Muster sind ihm verhasst, in „rhetorischen Figuren, Metaphern, Verzierungen“ sei das Sein nicht wahrnehmbar. Aussagen über einfachste Dinge erscheinen ihm als „Gipfel der Poesie“. Jaccottet geht es, wie seine Übersetzer Elisabeth Edl und Wolfgang Matz schreiben, um „justesse“ – um „Angemessenheit, Richtigkeit, das Richtige, das Rechte“. Dieser Band versammelt eine Reihe von angemessenen Miniaturen aus Jaccottets Notizheften. Darin aufgehoben: Fundstücke des Wanderers, Früchte des Lesers, Reise-Eindrücke, Reflexionen über Musik und Malerei, selbstkritisches Wiegen der eigenen Arbeit, Traumerzählungen und Beschreibungen von Begegnungen wie von Abschieden. Die Einträge reichen von 1952 bis 2005. Stärker noch als frühere Auswahlbände ist „Sonnenflecken, Schattenflecken“ ein ehrfürchtiges, Ehrfurcht erzeugendes Buch über Schönheit und Vergänglichkeit, Kunst und Tod.

Philippe Jaccottet: Sonnenflecken, Schattenflecken. Aufzeichnungen. Übersetzt von Elisabeth Edl und Wolfgang Matz. Hanser, München 2015. 252 S., 22,90 €.

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