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Sprachgewaltiger Analytiker des Nihilismus. David Foster Wallace.

© Steve Rhodes/Wikipedia

Philosophie: Die Götter des Sports

Was hilft gegen den zeitgenössischen Nihilsmus? Die US-amerikanischen Philosophen Hubert Dreyfus und Sean Dorrence Kelly Zwei Philosophen erklären „Alles, was leuchtet“.

Von Gregor Dotzauer

So hemmungslos der deutsche Untertitel verspricht, eine Handreichung zum „Sinn des Lebens“ zu liefern, ist dieses wild zwischen Philosophie und Populärphilosophie schlingernde Werk ein Fall für Monty Python. Denn schauen Hubert Dreyfus und sein Schüler Sean Dorrence Kelly, der eine zu Hause in Berkeley, der andere in Harvard, dem zeitgenössischen „Nihilismus“ tatsächlich derart schreckensstarr ins Auge, dass ihnen kein dümmerer Begriff eingefallen ist? Haben sie nicht mit der Linken gerade noch wehmütig dem Polytheismus der Griechen hinterhergewunken und mit der Rechten den Monotheismus erledigt, um nun mit Martin Buber eine lähmende „Gottesfinsternis“ zu entdecken?

„Reading the Western Classics to Find Meaning in a Secular Age“ – im Original klingt das schon vorsichtiger. Doch ist zu fürchten, dass auch dies nicht anders gemeint ist: nämlich als durchaus volkstümlich greifbare Transzendenz in der Immanenz. „Sport dürfte der Bereich sein, in dem wir uns am mühelosesten zu einer heiligen Gemeinschaft zusammenfinden.“ Zwischen furchtloser Vereinfachung, intellektueller Kraftanstrengung und subtiler Textlektüre kennt das Buch viele Töne. Das Ungewöhnlichste von „Alles, was leuchtet“ dürfte indes darin liegen, dass es sich seinen Rat vor allem aus der Literatur holt. Die Malaise der Gegenwart findet es nirgends prägnanter beschrieben als bei David Foster Wallace und zieht auch die ungleich trivialeren Äußerungen von Elizabeth Gilbert („Eat, Pray, Love“) erhellend heran. Es gräbt sich durch Homers Epen, ohne zu behaupten, dass die griechischen Götter wirklich existiert hätten, und es entdeckt in Herman Melvilles „Moby Dick“ die Anleitung zu einem Gegenwartsglück, das sich in Oberflächenphänomenen statt in religiösen Tiefen einrichtet.

Nur muss das alles auf den missverständlichen Traum von einem neuen Polytheismus hinauslaufen? Die Restitution des Heiligen, die Dreyfus und Kelly im Namen alltäglicher Ekstasen und Aufwallungen betreiben, ist ebenso anfällig für Fehldeutungen. Auch wenn „nicht eine Form des Heiligen“ zur Verfügung steht, „sondern eine Vielzahl von miteinander unvereinbaren Formen: physis, poesis und Technologie“ – neue Wörter haben ihnen die heiligen Geister dafür nicht eingeben können.

Hubert Dreyfus/Sean Dorrence Kelly: Alles, was leuchtet. Wie große Literatur den Sinn des Lebens erklärt. Aus dem Amerikanischen von Yvonne Badal. Ullstein Verlag, Berlin 2014. 363 Seiten, 19,99€.

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