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Kultur: Phoenix

Diese Woche auf Platz 70 mit: „It’s Never Been Like That“

Die Uhren auf null stellen. Das ist so eine Phrase. Gerne gebraucht von Leuten in der Lebensmitte. Als ob jemand ohne Zwang einfach wieder von vorn anfängt. Im Leben schwierig, in der Musik schon einfacher. Da muss man nur den Mut aufbringen, gewohnte Wege zu verlassen. Und vielleicht Phoenix heißen. Die französische Band musste sich nicht gerade aus der Asche erheben. Dazu ist ihr luftiger Gitarren-Pop zu elegant, zu perfekt. Beliebt bei Dudelfunk und sich hip dünkenden Kreisen gleichermaßen. Sie sind dicke mit Air und Daft Punk, ihre Songs laufen in den Filmen von Sofia Coppola.

Dahin kommt man nicht über Nacht. Die vier Herren aus Versailles sind in den Dreißigern und tun seit 15 Jahren Dienst am Griffbrett. Trotzdem verströmen sie jungmännerhafte, weichbärtige Frische. Coole Lebensweise, vermutlich. Trotzdem – oder gerade deshalb – schien ihnen ihr Stil wohl etwas festgefahren. Es sollte endlich wieder klingen wie beim ersten Mal. Nicht mehr tagelang an Synthie-Sounds schrauben, sondern endlich wieder einfach reinhauen.

Um einer vorgezogenen Midlife-Crisis zu entgehen, buchten sie, ohne eine Note geschrieben zu haben, ein Studio. Naturellement nicht bequem vor der Haustür, sondern im, Zitat, „no man’s land“: in Berlin-Köpenick. Im Planet Roc Studio, untergebracht im ehemeligen DDR-Funkhaus, wo „nichts als die Gespenster des kommunistischen Geistes im Gebäude zurückgeblieben sind“. Stimmt nicht ganz. Es sei denn, man macht Gespenster dafür verantwortlich, dass dort eine hübsch-hinterlistige Sommerplatte entstanden ist, die zunächst etwas schraddelig nach Garage klingt, dahinter aber ausgekochte Hooklines versteckt. Die muss man ein paarmal hören, um damit warm zu werden. Aber im dritten, vierten Anlauf, da kommen sie. Ähnlich wie dieser Frühling.

Ralph Geisenhanslüke

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