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Kultur: Pizza mit Pistole

Draußen tobt ein Unwetter, und es gießt aus Kübeln.Deshalb wünschen sich Laura und Roland, die auf dem Weg zu irgendeiner Party in einer gottverlassenen Gegend vom Weg abgekommen sind, nichts sehnlicher als ein trockenes Dach überm Kopf.

Draußen tobt ein Unwetter, und es gießt aus Kübeln.Deshalb wünschen sich Laura und Roland, die auf dem Weg zu irgendeiner Party in einer gottverlassenen Gegend vom Weg abgekommen sind, nichts sehnlicher als ein trockenes Dach überm Kopf.Doch dort, wo ein Licht in der Finsternis brennt und ein Haus Schutz verspricht, wartet Osvald auf das frisch verliebte Pärchen.Der schleift gerade seine Messer, wirft scharfe Blicke auf die verschüchterte Laura und bietet dem verdatterten Roland an, ihm seine Liebste für Millionen Dollar abzukaufen.

Was wie ein gruseliger Hollywoodstreifen mit bösartigem Psychoterror und fieser Geldgeilheit beginnt, wird schnell zu einer aberwitzig-absurden Bühnengroteske mit magischen Märcheneinlagen.Denn der estländische Autor Jan Tätte hat mit "The Highway Crossing or A Tale of a Golden Fish" einen poetisch versponnenen und milde ironischen Dialogreigen in Gang gesetzt, der mit Klischees und Erwartungshaltungen spielt.Andres Noormets, Schauspiel- und Regiekollege aus Estland, ist nach Berlin gekommen, um das in Jan Tättes Heimat preisgekrönte Stück im Theaterdock in einer szenischen Lesung vorzustellen.Unter dem Titel "Familie Meier goes east" wird in der Moabiter Kulturfabrik derzeit jeden ersten Mittwoch des Monats osteuropäische Gegenwartsdramatik als work in progress vorgestellt.Das klingt gut.Ist in diesem speziellen Fall aber eher enttäuschend.Denn was die auf karger Bühne versammelten Özlem Ates, Lars Löllmann und Andreas Steyer dem Text in vier Probentagen abgerungen haben, geht sprachlich und gestisch gegen Null.

Bisweilen endet es auch in unfreiwilliger Komik.Die entsteht, wenn der aus englischen und deutschen Blöcken gefertigte Text nur heruntergeleiert wird.Oder wenn erste Spielversuche über albernes Getöse nicht hinauskommen.Die für den Abend ohnehin arg zusammengekürzte Handlung leidet spürbar; dem um falsche Lebensentwürfe und enttäuschte Liebeshoffnungen, Traumvisionen und Märchenzauber kreisenden Stück wird die Magie ausgetrieben.Erst wenn der Regisseur Noormets kurz vor Schluß ins Geschehen eingreift, ahnt man, welche absurden Abgründe im Drama lauern.Mit estnischen Zungenbrechern und feinem Lächeln wird sein vermeintlicher Pizzamann zu einem kauzigen Pistolero und weisen Verbrecher.Daß er Laura, Roland und Osvald nicht erschießt, sondern mit ihren Lügen weiterleben läßt, geschieht den drei hoffnunglosen Fällen recht.

"Familie Meier goes east", jeden ersten Mittwoch des Monats, Theaterdock, jew.21 Uhr, Lehrter Str.35 (Tel.39 754 26)

FRANK DIETSCHREIT

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