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Kultur: "Planet der Affen": Reine Primatsache

In einer der berühmtesten Sequenzen der Filmgeschichte hat Stanley Kubrick Jahrmillionen der menschlichen Evolution in einem einzigen Schnitt zusammengefasst. Triumphierend schleudert ein Urzeitaffe den Knochen, mit dem er einem Rivalen den Schädel eingeschlagen hat, in die Luft, der Knochen dreht sich, wird immer langsamer und verwandelt sich in ein majestätisch schwebendes Raumschiff.

In einer der berühmtesten Sequenzen der Filmgeschichte hat Stanley Kubrick Jahrmillionen der menschlichen Evolution in einem einzigen Schnitt zusammengefasst. Triumphierend schleudert ein Urzeitaffe den Knochen, mit dem er einem Rivalen den Schädel eingeschlagen hat, in die Luft, der Knochen dreht sich, wird immer langsamer und verwandelt sich in ein majestätisch schwebendes Raumschiff. Das war 1968, und der Film hieß "2001 - Odysee im Weltraum". Im selben Jahr kam ein anderer Science-Fiction-Film in die Kinos, der sozusagen spekulierte, was geschähe, wenn dieses Raumschiff ins Trudeln geraten und in das Urzeitszenario zurückstürzen würde. Der "Planet der Affen", von Franklin J. Schaffner nach einem Roman von Pierre Boulle inszeniert, zeigte eine Welt, in der ein umgekehrter Darwinismus herrschte. Ein aus der Zukunft herabgefallener Astronaut, von Chalton Heston mit markiger Männlichkeit gespielt, musste kommen, um seine versklavten Artgenossen aus ihrer Unmündigkeit herauszuführen. "2001" war das optimistische, der "Planet der Affen" das pessimistische Produkt der Hippie-Ära. Kubrick feierte den Aufbruch in neue Dimensionen, Schaffner verband Zivilisationskritik mit einem Hauch von Alle-Spezies-werden-Brüder-Ökokitsch. Am Ende, Sodom und Gomorrha!, küsste Heston sogar eine Primatendame.

Ein knappes Vierteljahrhundert danach hat Tim Burton eine neue Version des haarigen Stoffes gedreht, doch vom kuscheligen Zeitgeist der Woodstock-Jahre ist nichts übrig geblieben. Sein "Planet der Affen" ist perfekter, kälter und ironischer als das Original, vielleicht kann man das auch als eine Zeitdiagnose verstehen. Burton, dem zuletzt mit "Mars Attacks!" (1996) und "Sleepy Hollow" (1999) zwei wunderbare, zwischen Parodie und Hommage irrlichternde Genre-Kreuzungen gelangen, war - wie er sagt - "nie daran interessiert, ein Remake oder ein Sequel der ersten Verfilmung abzuliefern". Das Original, das es bis spät in die siebziger Jahre auf vier Fortsetzungen brachte, gilt ihm als "gutes Märchen", als "Mythos, den es noch einmal zu erforschen" gilt.

Burton gibt dem Affen Zucker, in seinem Film gilt von Anfang an nur ein Gesetz: Tempo, Tempo! Kaum hat der Astronaut, dem Mark Wahlberg zwar Coolness, aber keine rechten Konturen zu verleihen vermag, seinen Raumgleiter bestiegen, mit dem er einen in ein Unwetter geratenen Versuchsschimpansen retten will, da ist er auch schon im Solargewitter - platsch! - mitten in einen Tümpel auf einen unbekannten Planeten abgestürzt und - schwupps! - von berittenen Gorillas geschnappt und in einen Holzkäfig gesteckt worden. Zusammen mit Dutzenden von Leidensgenossen wird er auf einem Holzwagen in die Affenstadt gekarrt, als lebendes Frischfleisch für den Sklavenmarkt. Für tiefschürfende Dialoge über das Wesen der Schöpfung, wie sie Heston führte, bleibt keine Zeit, denn jetzt folgen: ein Flirt mit einer Senatorentochter - Helena Bonham Carter ist unter ihrer Schimpansen-Maske nur an ihren braunen Augen zu erkennen -, demütigende Zwangsarbeit als Hausdiener, die nächtliche Flucht mit der Schimpansin und einer Hand voll Homo sapiens, Verfolgung durch den Dschungel, der Aufbruch in die verbotene Zone Calima.

Einhundert Millionen Dollar hat das Affenspektakel gekostet, und jeder Dollar davon ist dem Film anzusehen. Bis zu fünf Stunden dauerte es täglich, die Schauspieler in Affen zu verwandeln, dem Make-Up-Künstler Rick Baker dürfte ein Oscar sicher sein. Anders als im Original, bei dem die Darsteller noch in recht uniformen Masken steckten, tragen die Primaten diesmal individuelle Züge, sie können ihre Lippen bewegen und zeigen dahinter furchterregende Reißzähne. Überhaupt wurde auf eine möglichst naturgetreue Körpersprache Wert gelegt. Am überzeugendsten gelingt Tim Roth, der den Anführer der Primat-Armee mit aasiger Dämonie ausstattet, der Wechsel ins Schimpansenfach. Immerfort faucht er Tiraden wie "Wir müssen diesen Planeten vom Menschen befreien!", um dann sein Gebiss zu fletschen und den Kopf cäsarenhaft in den Nacken zu stoßen. Warum jetzt aber auch die evolutionsmäßig zurückgebliebenen Menschen sprechen können, bleibt rätselhaft. Außer Dialog-Plattitüden à la "Sie sind uns auf den Fersen" haben sie ohnehin nichts zu sagen.

Dass Burtons Film keine Botschaft hat, würde nicht stören, wenn er wenigstens wirklich spannend wäre. Doch die Monotonie, mit der er eine Actionszene an die andere reiht und seine Vorlage durch noch bösere Affen, noch schneller geschnittene Verfolgungsszenen, noch prunkvollere Rüstungen zu übertrumpfen versucht, wirkt ermüdend. Immerhin hat Charlton Heston einen selbstironischen Gastaufritt als Vater des Affengenerals. Bevor er stirbt, überreicht er - Seitenhieb auf seine Rolle als Waffenlobbyist im wirklichen Leben - dem Sohn seinen kostbarsten Besitz: eine Pistole. Dieser "Planet der Affen" ist Popcornkino der besseren Art. Für einen Hollywood-Mainstreamfilm mag das viel sein. Für einen Tim-Burton-Film ist es zu wenig.

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