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Kultur: Planet der Enten

Federvieh als Maß aller Künste: Die Duckomenta I. gastiert in der Berliner Urania

Nehmen wir einmal an, Entenhausen existiert. Zum Beispiel in einem Paralleluniversum. Lateinisch hieße dieser Ort stella anatium: Planet der Enten. Vieles wäre so wie hier auf der Erde. Das Klima, die Form und Lage der Kontinente, die Pflanzenwelt. Aber es gäbe auch Unterschiede. Der Bürgermeister wäre ein Schwein, aus Bärten ragten Hundenasen, viele Bewohner wären Enten. Sie trügen Anzüge, gingen auf zwei Beinen, sie hätten einen Beruf oder besuchten eine Schule.

Enten schreiben Geschichte. Enten entdecken neue Kontinente, reisen zum Mond, das reichste Wesen der Welt ist eine Ente. Enten sind schon lange eine tragende Stütze der Gesellschaft. Sie werden befragt, fotografiert und gemalt – Enten sind aus der Kunstgeschichte nicht wegzudenken. Ohne sie hätten Dürers betende Hände keine vier Finger. Spitzwegs Bücherwurm stände nicht auf seinen beiden Flossen und Mona Lisa besäße nicht diesen eigenartigen und geheimnisvollen Zug um den Schnabel.

Eine vorbildliche Weltausstellung dieser Kunst müsste so aussehen wie die Duckomenta, die derzeit im alten Gebäude der Berliner Urania gezeigt wird (An der Urania 17, Mo. bis Fr. 14 – 22 Uhr. Noch bis zum 2. Mai). Achtzig Meisterwerke drängen sich hier dicht an dicht, allesamt weltberühmt und Klassiker der abendländischen Kunstgeschichte. Gemälde, Plastiken, Gipsabgüsse, Federzeichnungen. Sie ahmen die Natur der Ente nach oder verfremden sie, und es ist eine Wonne, durch die Räume zu wandeln und die gefiederten Engelwesen Raffaels, den Zwicker von Rembrandts Mann mit dem Goldschnabel oder Dalís zerfließende Mäuseohren aus nächster Nähe zu betrachten. Kaum ein kanonisches Werk würde der halbwegs gebildete Entenhausener vermissen, denn die Schau reicht bis in die jüngste Vergangenheit hinein: Auch die auf dem Kopf stehende, winkende Maus von Georg Baselitz ist dabei. Dabei fällt auf, dass die Arbeiten der zeitgenössischen Künstler (Francis Bacon, Christo, Niki de Saint Phalles, Yves Klein, Horst Janssen, Miró) häufig Mausmotive benutzen, während die Klassiker fast immer Enten in das Zentrum ihrer Werke rücken.

Auch kulturgeschichtliche Exponate versammelt die Duckomenta: ein eiförmiger Globus, eine versteinerte Urente. Der hervorragende Katalog ist zweifellos ein Standardwerk (Argon. 130 Seiten, 14,90 €). Gerade wegen ihrer – im besten Sinne – populären Auswahl müssen sich die Kuratoren jedoch den Vorwurf der Lücke gefallen lassen. So vermissen wir Caspar David Friedrichs Entenfelsen, Andy Warhols Entenleberdosen oder Edgar Degas’ feines Pastell „Ententanz“.

Trotzdem verdient das seit 1982 bestehende Künstlerkollektiv InterDuck Bewunderung. Seinem Mut, das Berliner Kunstpublikum mit einer so ausgezeichneten Auswahl großer Meister zu beschenken, gebührt uneingeschränkte Anerkennung – zumal es sich der Konkurrenz der ebenfalls monumentalen MoMa-Ausstellung geradezu furchtlos stellt. Die bereits im In- und Ausland gezeigte Schau passt ohnehin besser in die nach der Muse der Astronomie benannte Urania, als etwa in die Neue Nationalgalerie. Denn sie bringt uns einen fremden Planeten näher – der allerdings auffällig viele Parallelen zu dem unseren hat.

Der Rezensent war von 1987 bis 1988 Herausgeber der Duckistischen Publikationen (Duc.Pub.) und ist Mitglied der Deutschen Organisation der nichtkommerziellen Anhänger des lauteren Donaldismus (D.O.N.A.L.D.).

Marc Degens

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