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Kultur: Platon erklärt die Milchstraße

Nachrichten aus dem Polargebiet: der Maler Nader Ahriman bei Klosterfelde

Wollte man angesichts des nieselnden Wetters bei Peter Doig und Daniel Richter nicht nur frösteln, sondern stechende Kälte spüren, wäre Nader Ahriman die richtige Adresse. Seine Farben sind kalt. Manchmal setzt er in ein Meer schwimmender Eismeerschollen mattes Krapplackrot unter stahlblauem Himmel und macht das Blau noch kälter. Doch Ahriman ist ein philosophisch durchgedrehter Kopf. Er führt in der Malerei seine Fantasie über zweieinhalbtausend Jahre europäische Geistesgeschichte spazieren. Deshalb sprachen Kritiker von einem Exzess an Bedeutungen, um zu sagen, dass sie keinen Sinn erkennen.

Mit dieser Hypothek kann Ahriman gut leben. Er setzt seine Bilder in assoziativen Bezug zu Platon und Heidegger, Swedenburg und Blake und schätzt den exotischen Klang kombinierter Begriffe. Sein Werk ist ein umgekehrter Orientalismus. Seit er 1990 als 26-Jähriger aus Shiraz (Iran) nach Berlin kam, beschäftigen ihn Weltsichten Europas. Sein erstes Solo hatte er 1995 in der Mäzenatengalerie Wiensowski & Harbord. Ein Jahr darauf debütierte er bei Klosterfelde mit „Aristoteles auf dem Eismeer“. Seither ist er im internationalen Geschäft.

Dabei fällt er wegen der Temperatur seiner Bilder auf, aber vor allem wegen deren Titel. Seine Werkliste klingt wie das Echo Uralteuropas. „Platon erklärt die siderische Eschatologie der Milchstrasse“, „Die Vergewaltigung der Ontologie durch die Logik“ und als Gipfel des Bizarren: „Ein Alchimist, 3 grundierte Leinwände, ein bedeutungsloses Objekt für Hegel, das komplette Denkmal ,Kleist und Wagner werden ins Pantheon überführt‘ und eine Schlange auf einer Stange aus Metall“. Kein Künstler hat so hammerharte Titel wie Ahriman. Wer die Bilder lesen will, nähert sich dem Wahn. Handelt es sich um gelehrte Exzentrik oder höheren Blödsinn im Sinne der „Neuen Frankfurter Schule“? Manchmal gibt es Anklänge an Max Ernst. Aber auch Interessierten gelingt es kaum, die Bezüge zu verstehen.

Daraus ergeben sich zwei Oberfächenvorteile. Die Titel reizen durch Fremdheit, suggerieren Autorität und halten in der Schwebe, ob zwischen Fachidiotie, Hochstapelei oder Geniestreich unterschieden werden kann. Zweitens geben sie vor, das Bild sei die Frucht eines wahrheitsliebenden Gedankens. De Chirico, Magritte, Willikens, Tansey malten solche Bilderrätsel: sichtbar gemachte Sphären des Paradoxen oder Abstrusen.

Ahriman lanciert seine Bilder in den Raum der Reflexion und erzeugt ein Assoziationsfeld, über das er in seiner Generation fast allein gebietet. Er kann aus der Tradition der Malerei in Persien schöpfen, deren starker Strang sich immer mit Literatur in Beziehung setzte. Wie de Chirico den sonnenstarken Süden, so hat Ahriman das Polargebiet zum Motivfeld erkoren und baut an einer Großmetapher der Endzeit. Hier streikt jeder Kompass.

Ahriman kam aus dem Iran in die Kältestarre. Die Welt, die er malt, ist funktional, technoid, lebensfeindlich und unverständlich. Dazu kann er Hölderlin zitieren, der den Klang der Sphären verstand, aber die Sprache der Menschen nicht. Deshalb ist es immer wieder ein kleines Ereignis, wie dieser lesende Maler überhitzte Spekulationen kaltblütig in Farben fasst. Seine Werke bleiben ebenso grandios wie bizarr und werden in Museen und Kunstvereinen wie Präziosen herumgereicht.

Seine Familie wurde politisch verfolgt. Deshalb nannte er sich zunächst nur Nader. Seit 2002 gab er sich den Künstlernamen Ahriman. Es ist das neupersische Wort für den bösen Geist, der dem großen Gott Ahuramazda Paroli bieten will: der Teufel des Allmächtigen. Noch mehr Rätsel.

Galerie Martin Klosterfelde, Zimmerstraße 90/91; bis 17. Juli; Di – Sa 11 – 18 Uhr

Peter Herbstreuth

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