zum Hauptinhalt

Kultur: Platz ist in der kleinsten Hütte

„Based in Berlin“: Die Kunsthallen-Schau am Humboldthafen zieht in Container und Buden

Der Streit will nicht enden: Bekommt Berlin nun eine Kunsthalle? Oder braucht die Stadt am Ende gar keine? Die Ausstellung ab 8. Juni im Humboldthafen könnte so etwas wie ein Probelauf sein. Fünf junge Kuratoren sind vom Kultursenat eingeladen worden, das künstlerische Potenzial der Stadt vorzuführen. Mit einem Budget von 1,7 Millionen Euro sollte dies ja eigentlich gelingen. Prompt entzündete sich Kritik am Ausstellungsprojekt und seinem Titel „Leistungsschau junger Kunst“. In einem offenen Brief forderten über 2000 Künstler, Kuratoren und Kritiker vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (als Kunsthallen-Initiator) und Kulturstaatssekretär André Schmitz mehr Geld für die unterfinanzierten Ausstellungsinstitutionen der Stadt und polemisierten gegen das Sommer-Event.

„Wir nehmen die Kritik sehr ernst“, antwortete Schmitz. Am gestrigen Montag nutzte er gemeinsam mit den fünf Kuratoren und mit den Beratern Klaus Biesenbach vom New Yorker MoMA sowie Christine Macel vom Centre Pompidou die Gelegenheit, das Ausstellungsprojekt zu verteidigen und die Aussichten für eine Kunsthalle zu erörtern. Das Kuratoren-Quintett und sein Beratergremium, dem außerdem Hans-Ulrich Obrist von der Serpentine Gallery angehört, diskutierten am Wochenende über die Künstlerliste und die Gestaltung der Schau. Die endgültige Liste mit rund 80 Teilnehmern und das Konzept sollen aber erst Ende Februar präsentiert werden. In der eilig zusammengerufenen gestrigen Pressekonferenz ging es nun vor allem darum, den Ruf des Projekts zu retten.

Arglos war das Team zwischen die Fronten der Kulturpolitik geraten. „Based in Berlin“, so der Ausstellungstitel versteht sich als Bestandsaufnahme der Arbeiten von Künstlern, die in Berlin leben und arbeiten. Die Ähnlichkeit mit der von Biesenbach in den neunziger Jahren organisierten „Berlin, Berlin“-Schau, deren Konzept er erfolgreich für New York York adaptierte, ist nicht zu übersehen.

Zweite wichtige Bedingung für die Teilnahme an „Based in Berlin“: Die Kandidaten müssen in den letzten fünf Jahren als „emerging artists“ in Erscheinung getreten sein, wie es jetzt anstelle des verfänglichen Begriffs „junge Kunst“ heißt, durch den sich ältere Vertreter bei der Einladung zur Ausstellungsbewerbung desavouiert fühlten. Eine klare Linie zwischen Protestlern und Aspiranten verläuft trotzdem nicht. Unter den Unterzeichnern des offenen Briefs befanden sich rund hundert Künstler, die ihre Mappen einreichten. Von Boykott also keine Spur.

Ohnehin habe sich der offene Brief nicht auf der Höhe der Zeit befunden, so André Schmitz. Was auch an mangelnder Öffentlichkeitsarbeit lag, wie er eingestand. Kunst-Werke, Hamburger Bahnhof, Neuer Berliner Kunstverein und Berlinische Galerie werden in das Ausstellungsprojekt nun einbezogen. Am Humboldthafen wird als mobile Ausstellungsarchitektur eine Art Hüttendorf errichtet, bestehend aus Bauwagen, Containern, Buden nach einem Entwurf des Berliner Architekturbüros Raumlabor. Der unorthodoxe Mix ist zugleich ein Abgesang auf jegliche repräsentative Architektur. Und damit eine weitere gelbe Karte für die Kunsthalle, wie sie sich Klaus Wowereit an diesem Ort einmal vorgestellt hat.

Tatsächlich könnte sich aus „Based in Berlin“ eine völlig neue Förderungsform für Künstler und bestehende Kunsthäuser entwickeln, die im Jahresrhythmus wiederkehrt und die Szene jedes Mal neu stimuliert. Die Stadt hätte ihr Event, wie es sich die Kulturpolitik wünscht, die Künstler bekämen Mittel an die Hand, um größere Arbeiten zu produzieren, die Institutionen wären synergetisch zusammengeführt. Gut möglich, dass darüber die Kunsthalle obsolet wird. „Based in Berlin“ bleibt ein Experiment. Zumindest die Neugier ist wieder geweckt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false