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Podiumsgespräch: "Nicht alles ist super, aber die Kunst!"

Von der Krise will keiner mehr etwas wissen, auch wenn hinter vorgehaltener Hand von Galerieschließungen, Ausstellungsabsagen, Entlassungen, Sponsorenschwund die Rede ist. Nix Krise: eine Diskussion in der Böll-Stiftung.

Das Schönste zum Schluss: „Die Kunst ist super“, so wird die Neupräsentation des Hamburger Bahnhofs ab 4. September überschrieben sein. Das verriet Nationalgalerie-Direktor Udo Kittelmann am Ende des Podiumsgesprächs in der Heinrich-Böll-Stiftung zur Krise in der Kunst. „Nicht alles ist super, aber die Kunst!“, erklärte er mit einem Augenzwinkern. Von zerknirschter Selbstbefragung keine Spur, ebenso wenig vom Geniekult seines Vorgängers Peter-Klaus Schuster. Nein, von der Krise will keiner mehr etwas wissen, auch wenn hinter vorgehaltener Hand von Galerieschließungen, Ausstellungsabsagen, Entlassungen, Sponsorenschwund die Rede ist. Auch Thomas Girst, Leiter der Kulturkommunikation beim Automobilhersteller BMW, und der Berliner Galeristin Barbara Weiss konnte die Moderatorin Elke Buhr vom Kunstmagazin „Monopol“ die „Wahrheit“ nicht entlocken.

„Sie liegt dazwischen“, wand sich Kittelmann. Seit 15 Jahren komme keine Ausstellung mehr ohne Drittmittel zustande, das Problem sei nicht neu, man müsse optimistisch bleiben. Thomas Girst gab die „Kirsche“ auf dem Kuchen – aber bitte mit Nachhaltigkeit. Natürlich gehe es um Imagepflege, ein Wirtschaftsunternehmen sei keine Kulturinstitution, statt Events unterstütze man eher Langzeitprojekte wie den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst und die „Staatsoper für alle“. Der einzige Unterschied: Wurden bei der letzten Präsentation der nominierten Künstler noch 400 Flaschen Champagner ausgeschenkt, so könnte es beim nächsten Mal nur noch Rotkäppchensekt sein. „Wir haben die Party so lange gefeiert, wie es ging“, gestand Kittelmann freimütig ein: „Künstler sind keine besseren Menschen.“

Einen Schwenk zur neuen Ernsthaftigkeit mochte Barbara Weiss nicht ausmachen; es habe immer schon in der Kunst verschiedene Ausrichtungen gleichzeitig gegeben. „Händler, die auf dem überhitzten Markt 300 000 Euro mit dem mittelgroßen Werk eines 35-Jährigen verdient haben, schauen sich jetzt eben um“, gestand sie ihre Erleichterung über den nachlassenden Druck auf Künstler und Galeristen ein. Dass sich dabei so mancher Assistent auf der Straße wiederfindet, kam erst in der anschließenden Diskussion zur Sprache. „Wir leben seit 20 Jahren in einer entsolidarisierten Gesellschaft“, klagte ein Zuhörer sein Leid. In Deutschland verdiene ein Künstler durchschnittlich nur 10 000 Euro im Jahr. Von Prekarisierung aber wollte das Podium nichts wissen. Es wird weiter Partys geben, sprach man sich Mut zu. Ist doch super! 

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